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Der goldene Kuß

Der goldene Kuß

Titel: Der goldene Kuß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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nicht auszusprechen, um das Schicksal nicht zu versuchen.
    Und dann kam jene Sekunde, in der Tommy Brest und Karin Jarut gleichzeitig aufschrien, der Jeep durch das plötzliche Bremsen schleuderte und gegen einen Steinhaufen prallte.
    »Vera!« brüllten sie. »Vera!«
    Auf der Straße, im Licht des Scheinwerfers, schwankte ihnen eine zerlumpte Gestalt entgegen. Sie winkte mit beiden Armen, stolperte und schien etwas zu rufen.
    Brest und Karin Jarut sprangen aus dem Wagen, noch bevor er auf den Steinhaufen prallte. Sie rannten Vera entgegen, fingen sie auf und zerrissen sie fast vor Freude.
    »Ihr seid es …« sagte Vera schwach. »Ihr lebt … und die anderen …?«
    Die Antwort hörte sie nicht mehr. Jetzt, dem Leben wirklich zurückgegeben, wurde sie ohnmächtig.
    Tommy Brest erreichte das Hochplateau in dem Augenblick, als der griechische Offizier und vier Soldaten aus der Höhle zurückkamen. Sie hatten mit Handscheinwerfern und Fackeln alles abgesucht.
    »Nichts«, sagte er leise zu Heimann und Helmke, die noch im Hubschrauber hockten. »Die Höhle ist leer. Der Fluß muß sie mitgerissen haben. Es sieht schrecklich aus im Berg …« Er grüßte und ließ die Deutschen allein. Heimann legte den Arm um Helmke, wie ein Vater, der seinen Sohn tröstet.
    »Du mußt es schlucken, Horst«, sagte er leise. »Verdammt noch mal … das Leben muß weitergehen. Wir alle begreifen es ja auch noch nicht … Wer kann das Schicksal schon verstehen?«
    Auf dem Plateau entstand Lärm. Die Fernsehleute warfen die Arme hoch und jubelten. Heimann starrte zu ihnen hinüber, verständnislos, wie man Irre ansieht, die plötzlich Goethe zitieren. Ein Jeep fuhr durch eine Gasse von klatschenden Soldaten und Zivilisten.
    »Tommy Brest ist zurück«, sagte Heimann. »Die Idioten empfangen ihn wie einen Helden …« Dann sah er den blonden, wehenden Haarschopf Karin Jaruts und zuckte hoch. »Die Hyänen kommen!« schrie er. »Ich drehe ihr den Hals um, wenn sie etwas über Vera sagt. Bei allen Teufeln, ich mach's wahr! Nur weil sie uns die Brandaufnahme versaute, sind wir in diese mistigen Berge gezogen! Ich zerreiße das Aas!«
    Und dann wurde er ganz still, nahm den Kopf Helmkes, hob ihn hoch und drehte ihn zu dem Jeep, der auf sie zufuhr.
    Neben Tommy Brest saß ein zerlumptes, dreckiges, zerschundenes Wesen. Die Vorderarme lagen auf der Windschutzscheibe und stützten den Kopf.
    »Vera …« stammelte Helmke. »Vera …«
    Mit einem weiten Satz sprang er auf und lief dem Jeep entgegen.
    *
    Im Funkhaus in Deutschland saßen Intendant Dr. Rathberg, Programmdirektor Pelz und die Chefredakteure aller Abteilungen im Chefzimmer zusammen. Sie warteten, rauchten und tranken Kognak. Die Nachrichten aus Zypern widersprachen sich. Nach dem ersten Schock versuchte man Klarheit zu gewinnen, aber das war noch nicht möglich. Doch eines hatte Pelz in die Abendnachrichten geschickt einflechten lassen: ein paar Sätze, daß sich im Erdbebengebiet auch ein Fernsehteam des Senders befinde. Vera Hartung gehöre dazu.
    Für den Fernsehzuschauer war Vera Hartung seit drei Wochen keine Fremde mehr. Die Presseabteilung des Senders hatte vorzüglich gearbeitet. In allen Rundfunkzeitschriften und Illustrierten waren Bilder von ihr erschienen, Interviews, Gespräche, Jugenderinnerungen. Man kannte ihre Hobbys, die Lieblingsblumen, den Lieblingssänger, wußte, daß sie gern kochte, leidenschaftlich ritt, noch nie richtig verliebt war und jetzt der kommende Superstar werden würde. Vierzig Millionen warteten auf den Tag X, an dem Vera Hartungs Gesicht über den Bildschirm flimmerte. Vierzig Millionen liebten bereits das Mädchen aus dem Volke, an dem ein Märchen Wahrheit geworden war: Die große Karriere!
    Eine Karriere durch Können … das war das Wichtigste.
    Im Funkhaus war die Nachrichtenzentrale voll besetzt. Auch Fräulein Kannegießer, Rathbergs Chefsekretärin, machte Überstunden. Sie stand mit dem Kurzwellenfunkraum in Verbindung, wo man eine Verständigung mit dem zypriotischen Rundfunk erreicht hatte. Alle zehn Minuten brachte sie Rathberg die neuesten Meldungen ins Zimmer.
    Von Vera keine Spur. Aus den Bergen keine Antwort. Der Militärfunk hatte gemeldet: Das Katastrophengebiet ist abgeriegelt. Man sucht nach Überlebenden.
    In diesen Stunden wurde wenig gesprochen im Zimmer Dr. Rathbergs. Man saß herum, wartete, trank und rauchte. Die Meldungen, die Lore Kannegießer hereinbrachte, verlas Pelz mit lauter Stimme. Und jedesmal sah ihn Dr.

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