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Der goldene Kuß

Der goldene Kuß

Titel: Der goldene Kuß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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das in den Himmel führte.
    Leben! Freiheit! Luft! Sonne!
    Vera blieb stehen und sah hinauf.
    Dort leuchtete das Leben – aber es war unerreichbar. Die Höhlenwand war senkrecht, eine fast glatte Fläche, in die man knapp unter der Decke dieses gezackte Fenster gebrochen hatte. Der Berg zeigte ihr die Freiheit, aber er gab sie ihr nicht.
    Tief atmend lehnte Vera die Stirn gegen die kalte Wand. Wieviel Meter sind es, dachte sie. Sechs oder sieben, oder acht? Und wenn es nur vier wären – wer kann vier Meter an einer senkrechten glatten Wand emporklettern? Saugnäpfe an den Händen müßte man haben. Wie ein Lurch müßte man die Wände hinaufschnellen. Vier … sechs … acht Meter … und dort oben ist die Sonne … ist das Leben … So nah, so glänzend, so herrlich rein … und doch so weit wie der Blick durch ein Fernrohr.
    Ungezählte Male versuchte sie, an der glatten Wand emporzuklettern. Es gab ein paar Vorsprünge, in die sie die Finger krallte … ein paar kleine Spalten unterbrachen die Fläche, in die sie die Fußspitzen zwängte, sich an die Wand drückend, wie festklebend und doch wissend, daß es nur Zentimeter waren, die sie höher kam und daß ein Meter jetzt soviel war wie eine Entfernung zu einem Stern.
    Der Abend kam. Das Licht verblaßte, wurde rötlich. Ein herrlicher Sonnenuntergang mußte draußen sein. Es war die gleiche Zeit, in der der Hubschrauber landete und vor der Höhle alles zur Sprengung vorbereitet wurde. Um diese Stunde raste Tommy Brest mit Karin Jarut die Felsenstraße hinauf. Teilstücke waren mit Geröll übersät. Tommy umfuhr die Felsbrocken, riß den Jeep kreuz und quer durch die Trümmer und ließ ihn über Steinhügel hüpfen. Karin Jarut umklammerte bleich die Einfassung der Vorderscheibe.
    »Mein Gott!« schrie sie einmal auf, als sie um einen Felsblock fast herumflogen. »Du fährst wie in deinen Filmen … und dabei war's da immer ein Double!«
    Die Nacht kam. So schnell, dachte Vera in der Höhle, so schnell ist sie da? Wie lange hänge ich in dieser schrecklichen Wand? Wieviel Meter sind es noch? Zwei? Oder drei? Der Himmel ist so nahe … was sind drei Meter …
    Drei Ewigkeiten.
    Sie wußte später nicht zu erzählen, wie sie es geschafft hatte. Vielleicht wird ein Mensch wirklich zu einem Lurch, wenn es sein muß? Plötzlich hatte sie den Rand des zackigen Loches ergriffen, hing am Fenster des Lebens und spürte den Wind, wie er über ihre Hände wehte. Von weitem donnerte es. Es waren die Sprengungen am Höhleneingang. Für Vera aber hörte es sich an wie ein neues Erdbeben, wie eine Rückkehr des Todes.
    Dann war sie oben, lag mit dem Oberkörper im Freien, kroch weiter, rollte einen leichten Abhang hinunter, und während des Rollens lachte und weinte sie, sah den abendlichen streifigen Himmel, spürte die Wärme des Tages, die im Gestein nachglühte, sah Bäume und Sträucher, spürte den Wind und schrie vor Glück und Ergriffenheit. Wie herrlich das Leben doch war!
    Ein paar Minuten lag sie im Geröll und genoß den freien Himmel. Sie streckte sich, bewegte alle Glieder und hatte den unbändigen Drang, jetzt zu schlafen, hier in den Felsen, auf den Steinen liegend. Schlafen …
    Aber sie zwang sich, aufzustehen und den Abhang weiter hinabzugleiten. Staub und Steine folgten ihr, an Büschen hielt sie sich fest, an harten Grasbüscheln und niedrigen, verkrüppelten Bäumen. So erreichte sie eine Straße, lehnte sich an den Abhang und schlug die Hände vors Gesicht, als sie von ferne wieder Donnern und Krachen hörte und die Erde unter ihr kaum merklich zitterte.
    Am Höhleneingang legte man eine ganze Felswand um. Horst Helmke hatte man mit Gewalt vom Eingang weggeschleppt. Carlos Heimann versuchte ihn zu trösten.
    »Halt's Maul!« stöhnte er immer wieder. »Oh, halt's Maul! Sei still, Carlos! Was nützt mir das, wenn du mir erzählst, daß sie einen leichten Tod gehabt hat?! Ich kann es einfach nicht begreifen …«
    Tommy Brest hüpfte indessen mit seinem Jeep die Straße hinauf. Er schaltete das Fernlicht an und drückte auf das Gas. Karin Jarut neben ihm hatte es aufgegeben, bei jeder Kurve zu schreien oder aus Angst auf ihn einzuschimpfen. Selbst Faustschläge gegen seinen Rücken halfen nicht … Tommy Brest fuhr wie ein Irrer, und keiner konnte ihn mehr aufhalten.
    »Verdammter Berg!« schrie er nur einmal.
    »Ein herrliches Grabmal«, sagte Karin zitternd.
    »Noch kann Vera leben!«
    »Glaubst du das, Tommy?«
    Brest schwieg. Was er dachte, wagte er

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