Der goldene Kuß
nichts gesagt, wenn nicht die Öffentlichkeit daran teilgenommen hätte. So war es ein Affront gegen die Kultur an sich. Distanzierung war das einzig Mögliche.«
»Und nun?« fragte Pelz gedehnt.
»Was heißt nun?«
»Sie haben die Möglichkeit, der Welt ein anderes Jarut-Bild zu liefern. Die Stunden auf Zypern, Karins Einsatz um das Leben Vera Hartungs …«
»Das war lobenswert.« Rathberg sah Karin kühl an. »Wieviel einkalkulierte Publicity war darunter?«
»Nichts!« Karin preßte die Hände zusammen. Sie zitterte. Hier – das spürte sie – hatte ein großes Aufräumen begonnen. Hier wurde die Seele bloßgelegt. Hier kämpften Chirurgen mit ihren Skalpellen gegeneinander wie mit Säbeln. Und Theo Pelz würde der Verlierer sein. Er mußte es, denn er hatte die schwächere Position. »Ich hatte Angst um Vera.«
»Wer soll Ihnen das glauben?«
»Alle werden es glauben, wenn sie die Bilder sehen, die ich Ihnen gegeben habe!« rief Pelz. »Die dusselige Ohrfeige einer kranken Frau wird damit vergessen sein. Nur Sie müssen wollen, Herr Intendant! Ganz allein an Ihnen liegt es! Soll ich Ihnen erzählen, was Karin Jarut in den Jahren ihrer Tätigkeit für unseren Sender alles getan hat? Den Ruf, einer der besten Fernsehspiel-Produzenten zu sein, verdanken wir der Darstellungsgabe Karins. Sie hat Menschen dargestellt, die Millionen ergriffen. Und – verdammt noch mal – wir sind Menschen und keine Engel. Wir haben alle Schwächen. Sie tun so, als ob der Mensch zur Heiligkeit geboren sei!«
»Theo!« rief Karin wieder. Dr. Rathberg schüttelte den Kopf.
»Lassen Sie ihn reden, Karin.«
»Das wäre eigentlich alles«, sagte Pelz etwas erschöpft. »Und jetzt bitte ich vorsorglich um meinen Jahresurlaub. Wir können dann in aller Ruhe besprechen, wie man mein Ausscheiden aus dem Sender am besten motiviert. Ich glaube nicht, daß Sie noch Wert auf meine Mitarbeit legen.«
»Daß immer alles so hektisch sein muß.« Dr. Rathberg hob die Nase und schnüffelte. Irgendwoher roch es verbrannt. »Man kann nicht mit dem Kopf durch die Wand. Das ist ein physikalisches Gesetz: Die Wand ist stärker. Aber lassen Sie mich einmal klar fragen: Was würde geschehen, wenn ich die Zypern-Bilder an die Presse gebe?«
»Man würde Karin Jarut rehabilitieren. Man wäre voll des Lobes.«
»Und dann?«
»Dann könnten Sie die reuige, tapfere Tochter wieder aufnehmen in die Fernsehfamilie.«
»Und meine Einstellung zu den Dingen?«
»Die Welt vergißt das Schlechte und verehrt das Gute.«
»Dann habe ich es richtig gemacht«, sagte Rathberg laut.
»Was?« fragte Pelz mit bebender Stimme.
»Gestern! Ich habe die Bilder vervielfältigen und an die Presse hinausgehen lassen.«
»Herr Intendant!« Karin sprang auf. Rathberg winkte mit beiden Armen ab.
»Keine großen Worte! Ich habe Hunger! Ich habe einen Bärenhunger. Herr Pelz, wo bleiben Ihre versprochenen Eier?«
»Sofort!« Pelz sprang auf. Sein Gesicht glänzte vor Freude. »Ich möchte Sie umarmen, Herr Intendant. Aber zuerst frühstücken wir!«
Er rannte zur Küche und riß die Tür auf. Dicker Qualm wehte ihm entgegen. Brandgeruch und Knattern. Mit einem Satz war Pelz zurückgesprungen.
»Es brennt!« schrie er. »Die ganze Küche brennt! Die Vorhänge, die Wand … Feuer! Feuer!«
In den großen Raum zogen träge, dicke Rauchwolken.
Es war ein Feuer, das niemand mehr eindämmen konnte.
Die beiden Feuerlöscher, die Rathberg in der Diele hängen hatte, waren schnell versprüht. Ihre einzige Wirkung war, daß Pelz und Rathberg mit einem flockigen Schaum überzogen waren … die Küche aber brannte weiterhin lichterloh, die Flammen schlugen gegen die Holzdecke, die Rückwand zur Speisekammer glich einer Feuermauer.
»Der Gartenschlauch!« keuchte Rathberg, als er seinen Feuerlöscher wegwarf. »Wir müssen versuchen, mit dem Gartenschlauch zu löschen.«
Karin Jarut trug zwei Eimer mit Wasser aus dem Badezimmer zur Küche und schüttete sie in die Flammen. Immer und immer wieder lief sie mit ihren Eimern zwischen Bad und Küche hin und her … es zischte, Dampf wallte auf, das Wasser verdunstete sofort in der Glut. Als die Hitze zu groß wurde, warf sie die Eimer weg und ließ sich in einen der Sessel fallen. Ihr Gesicht war rauchgeschwärzt, der Pullover und die Skihose wiesen große Brandflecken auf.
»Ich kann nicht mehr!« keuchte sie. »Es ist sinnlos. Diese Glut …«
Theo Pelz hatte aus der Garage den Gartenschlauch geholt. Er war eine vielfach
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