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Der goldene Ring

Der goldene Ring

Titel: Der goldene Ring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian May
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Himmel umher und fing sich ein paar frühe Insekten. Hinter den Vorbergen des Jura erschien bereits ein rosa Streifen. Herden von Weidetieren unten auf dem Plateau regten sich. Auch in der Torburg war Leben. Aber - es war zum Wahnsinnigwerden! - nirgendwo gab es eine Spur der sich versteckenden Menschen.
    Vergebens machte der Ziegenmelker einen Sturzflug zur Erde. Verdammt ärgerlich, daß es ihm immer noch nicht gelungen war, Claude und Madame aufzuspüren. Sie mußten ein unterirdisches Versteck haben. Zweifellos verstärkte Madame mit ihrer illusionsspinnenden Kreativität den natürlichen psychischen Schild von dichtem Granit und hartgebackenem Boden. Aber sie mußten zum Vorschein kommen, um ihren Angriff gegen das Zeitportal durchzuführen. Und wenn sie das taten, hatte er sie.
    Bisher wußte niemand von dem Burgpersonal, daß Aiken eingetroffen war. Er war das Tal der Rhône hinaufgeflogen, hatte unten in den Niederungen den Speer zwischen den oberen Zweigen einer großen alten Platane untergebracht und seinen Flug fortgesetzt, um hier zu suchen. Wer achtete schon darauf, ob ein Ziegenmelker bei Tageslicht umherflog? Er hatte vorgehabt, ihren Unterschlupf zu entdecken, sich in sein menschliches Selbst zurückzuverwandeln und eine Suchgruppe aus Burgleuten an die richtige Stelle zu führen. Das wär's dann gewesen.
    Aber die verdammten alten Liebesvögel hatten ihn an der Nase herumgeführt. Na, und wenn schon.
    Wenn man richtig darüber nachdachte, war es eigentlich süß. Blödsinnig, aber süß. (Ich meine - natürlich konnten sie nicht. Oder doch? Mit hundertunddreiunddreißig?) Ein Jammer, daß sie sich nicht hatten damit zufriedengeben können, irgendwo im Herkynischen Wald Darby und Joan zu spielen, statt sich in die Angelegenheiten der hohen Politik zu mischen.
    Doch nun hatten sie es einmal getan, und er konnte ihnen nicht mehr helfen. Er würde sie aber schnell und gnädig töten, damit es ihnen wenigstens erspart blieb, zum Großen Wettstreit transportiert und in diesem Glasding, in das die Tanu Verräter mit Vorliebe steckten, bei lebendigem Leib destilliert zu werden. Gomnol hatte versucht, Aiken davon zu Überzeugen, daß der zeremonielle Tod der beiden Alten eine strategische Notwendigkeit sei. (Typisch für ihn!) Zum Teufel mit Gumball! Seinem Sadismus mußte es genügen, daß die Köpfe der beiden auf Piken gesteckt wurden.
    Aha! Da tat sich etwas. Das Haupttor der Burg öffnete sich. Eine Menge Soldaten kam heraus, zusätzlich zu den weißgekleideten Torwächtern. Und kurz vor Sonnenaufgang war es auch.
    Der Ziegenmelker ging in die Kurve, legte die Flügel an und stürzte nach unten, um ein Auge auf die Geschehnisse zu halten.
    Ober ihm, Grau auf Grau-Rosa und an der Sonnenseite malvenfarben umsäumt, schwebte eine merkwürdige Kumuluswolke. Ihr Bauch hing in euterähnlichen Gebilden herab. Eine Turbulenz innerhalb der Wolke wurde heftiger, und einer der Beutel verlängerte sich wie eine Tanu-Brust aus Wasserdampf. Er streckte sich nach unten, wurde zu einem baumelnden Ärmel, dann zu einem Miniatur-Tornado mit Wirbelwinden, die sich mit mehreren Kilometern pro Stunde drehten. Das Ding wand sich tastend durch die Luft und summte dabei laut. Aber die Morgenwinde fegten das Plateau, und die Leute auf dem Boden bemerkten die neuen Geräusche nicht. Sie stellten sich um einen Fleck nackten Felsens auf.
    Auch der Ziegenmelker achtete nicht auf den Tornado -erst als er ihn aufsaugte, mit gewaltigem Seitenschub wegriß und in einem fast trockenen Wasserloch etwa drei Kilometer entfernt absetzte ... Der verblüffte Unheilstifter kam ein paar Minuten später wieder zu Bewußtsein und saß da, die besorgten kleinen Hipparions verfluchend, die kamen und ihre Schnauzen in sein schlammverschmiertes Gesicht stupsten.
    Und dann zuckte er zusammen. Weit, weit entfernt von hier wurde ein ihm bekanntes psychisches Muster ausgelöscht, und er wußte, Gomnol war tot. Bis er sich zusammengerissen hatte und zum Zeitportal zurückgeflogen war, war es auch dort zu spät, um noch einzugreifen.
    »Chéri, es ist Zeit«, sagte sie.
    Er streckte sich, gähnte, strich sein silbernes Haar zurück. Und dann faßte er sie bei den Handgelenken.
    »Fou«, flüsterte sie, als sie dazu fähig war.
    »Das sind wir beide. Wir geben ein Paar ab - wie antike Bücherstützen.«
    Sie lachte leise, aber dadurch kam der Husten wieder, den sie mit so großer Anstrengung unterdrückt hatte. Und es kam Blut. Er fragte: »Wie lange geht

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