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Der goldene Ring

Der goldene Ring

Titel: Der goldene Ring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian May
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außerhalb ihres Bündnisses, wenn du meinem Idiom folgen kannst.«
    O grausame in hochmütiger Überlegenheit o stolze Elizabeth.
    Sie achtete nicht auf den ungesprochenen Vorwurf. Es war ein irritierender Tag gewesen. Auf dem Weg zu der kleinen weißen Villa schälte Elizabeth die Orange und aß die Spalten. Das Fruchtfleisch war dunkel im Mondlicht und trug einen weiteren Stein zu dem Gebäude ihrer Entrüstung bei: Es war eine Blutorange.
    »Du wirst bei mir gar nichts erreichen, wenn du es auf Umwegen versuchst, Brede.« Elizabeths Stimme klang scharf. »Schon im Milieu war ich nie gut in diplomatischen Schachzügen. Ich will wissen, auf wessen Seite du stehst und was du von mir erwartest. Und was ist dieser Raum ohne Türen?«
    »Du brauchst keine Angst davor zu haben. Jemanden wie dich kann er nicht halten. Aber er wird dich, Körper und Seele, vor der Heerschar schützen, solange du in seinem Heiligtum bleibst. Ich hatte gehofft, du würdest zu mir ziehen. Wir könnten ... einander unterrichten. Es ist reichlich Zeit, noch beinahe zwei Monate bis zum Großen Wettstreit, wo ich eine klimaktische Entscheidung vorhersehe.«
    Die letzten Stücke Orangenschale entfielen Elizabeths Hand. Sie ging langsamer, als sie auf einen kleinen Rasen vor der Villa hinaustraten. Bredes Haus trug keines der üblichen Tanu-Feenlichter, sondern stand in griechischer Einfachheit, umrahmt von Zypressen. Es war ein Haus, das zu der geheimnisvollen Frau paßte, denn es fehlte ihm jede Öffnung nach außen.
    Das zur Hälfte maskierte Gesicht der Schiffsgattin blickte flehend zu ihr auf. Es schien zu sagen: Mehr als alle übrigen sind wir beide Exilierte.
    »Was geschieht, wenn unser Versuch einer geistigen Begegnung keinen Erfolg hat?« fragte Elizabeth.
    »Dann wirst du tun, was du tun mußt.« Brede machte sich offenbar keine Sorgen. »Sollen wir zusammen hineingehen?«
    Seite an Seite Überquerten sie den Rasen, betraten den Säulenvorbau des kleinen Hauses und schritten durch die glatte Marmorwand.
    In den Frieden.
    Elizabeth konnte den tiefen Seufzer, der ihren Lippen entschlüpfte, nicht unterdrücken. Mentale wie physische Stille hüllte sie ein. Eine Stille dieser Art hatte damals im metapsychischen Institut auf Denali, als die Therapeuten vergeblich versuchten, mit ihrem regenerierten Gehirn von neuem Kontakt aufzunehmen, Ängste in ihr erweckt. Aber jetzt - wie willkommen war ihr die Stille! Sie brachte Befreiung von dem Hintergrundgeräusch all jener Geringeren Psychen, die ihre dünnen Dissonanzen gemurmelt und gequiekt und gedröhnt und gepfiffen hatten, auch wenn sie nicht in kindischer Unverschämtheit nach ihr griffen oder einen Frontalangriff gegen ihre Verteidigungen wagten. Sie konnten sie natürlich nicht erreichen, aber sehr lästig waren sie doch ... im Milieu wurde diese mentale Statik durch die Überwältigende Harmonie der Einheit ausgeschlossen. Hier hatte Elizabeth bisher nur in ihrem Feuerkokon Zuflucht vor ihr gefunden, in dem letzten schrecklichen Refugium einer leidenden, auf sich selbst konzentrierten Seele.
    Aber dies ...
    »Gefällt dir mein Raum?« fragte Brede.
    »Ja«, antwortete Elizabeth. Ihr Geist und ihr Gesicht lächelten gleicherweise.
    Die Fremde senkte ihr Atemgerät. »Hier herrscht ein erhöhter Teildruck des Sauerstoffs, was Euphorie hervorruft. Doch die mentale Stille ist die kostbarste Eigenschaft dieses Raums ohne Türen. Wir beide können unsere Gedanken hinaussenden, aber es kann niemand herein.«
    Das Äußere der Villa mit ihren klassischen senkrechten Linien war bescheiden gewesen. Die Innenwände dagegen bogen und wölbten sich in ungeahnten Formen. Sie waren mittemachtsblau mit ständig wechselnden zarten Mustern in schwachem Karminrot und Silber, an Ölflecken auf tiefem Wasser erinnernd. Zwei Bilder - eigentlich Projektionen -zeigten Ansichten aus dem Weltraum: eine dichtgeschlossene spiralförmige Galaxis, die zwei große Arme hinter sich herschleppte, und ein Planet, dessen Landmassen sich zu hohen Bergen zusammenschoben und dessen blaue Meere in runden Becken den lunaren Maria ähnelten.
    Die Möblierung des Raums war einfach, beinahe unsichtbar, weil sie aus dem gleichen dunklen Stoff wie die Wände bestand. Da waren ein paar Truhen, Regale, auf denen sich farbige Glaszylinder mit Magnetdruck reihten (es waren die Audiovisuals der Tanu), zwei lange Liegen und mehrere konturlose Würfel in der Größe von Fußschemeln. Vor einer Wand schwebte in Augenhöhe eine kleine

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