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Der goldene Ring

Der goldene Ring

Titel: Der goldene Ring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian May
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eine gemeinsame ethische Formel?
    Elizabeth ließ freundschaftliche Bestätigung durch die Barriere schimmern, die sie zwischen sich und der Schiffsgattin aufrechterhielt, seit sie vor zwei Stunden zum ersten Mal mit der Fremden zusammengetroffen war. »Die meisten von uns folgten einem System, das in Übereinstimmung mit der Philosophie einer sich entwickelnden Theosphäre stand. Bist du mit diesem Konzept vertraut? Mit den Hauptreligionen der späteren menschlichen Ära?«
    Ich habe deine Leute seit ihren ersten Zeitreisen studiert. Einige der Philosophien, zu denen sie sich bekannten, wirkten auf mich bestürzend und abstoßend. Du mußt verstehen, daß die Tanu einem einfachen, unstrukturierten Monotheismus ohne Priesterschaft oder etablierte Hierarchie huldigen. Wir sind durchaus bereit gewesen, den Menschen, die einem nichtmilitanten Glauben anhingen, Religionsfreiheit zu gewähren. Allerdings hat es Eiferer gegeben - Bloßhalsige natürlich -, die nicht aufhörten, des Königs Frieden zu stören. Diesen wurde schleunigst das Martyrium zuteil, nach dem sie sich unterbewußt sehnten ... Aber keiner der Menschen, die ich studiert habe, war imstande, Licht auf die Einheit eures Galaktischen Milieus zu werfen. Und das ist verständlich, denn nur ein echter Metapsychiker kann davon wissen. In Demut bitte ich dich, mich zu erleuchten.
    »Was du erbittest, ist buchstäblich unmöglich, Brede. Ein junger Meta beginnt mit der Ausbildung normalerweise vor seiner Geburt. Die mentale Förderung wird in der frühen Kindheit intensiviert - das ist die Arbeit, der ich vor meinem Unfall mein Leben gewidmet hatte. Eine Person mit Meisterklasse-Potential muß sich darauf gefaßt machen, dreißig Jahre oder mehr damit zuzubringen, in die volle Einheit hineinzuwachsen. Ich soll dich erleuchten? ... Du hast mich eingeladen, dein intellektuelles Potential zu inspizieren, und ich will zugeben, daß eine Psychounion zwischen uns nicht völlig unmöglich ist. Aber dein Ring stellt gleichzeitig eine Mauer und eine Falle dar. Du hältst dich selbst für operant. Glaub mir - du bist es nicht! Nicht wirklich. Und ohne echte Metafunktionen kannst du weder die Einheit noch sonst etwas vom Wesen des Milieus begreifen.«
    Der ruhige Gedanke kam: Es ist vorhergesehen, daß meine Leute eines Tages an diesem Wesen teilnehmen werden.
    »Vorhergesehen von wem?«
    Von mir.
    Elizabeth wandte sich von der Balustrade ab und trat vor die Schiffsgattin. Gleich als erstes hatte Brede ihr enthüllt, daß sie einer anderen als der Tanu-Rasse angehöre. Sie war weniger als mittelgroß, und ihre Augen waren karneolbraun statt blau oder grün. Jetzt, wo sie wieder einmal ihr barockes Atemgerät abgenommen hatte, war der untere Teil ihres Gesichts unbedeckt, und man konnte sehen, daß ihm die Übernatürliche Schönheit der herrschenden Rasse fehlte. Doch es war sympathisch und scheinbar das einer Frau mittleren Alters. Brede trug ein Gewand aus einem metallischen roten Stoff nach einer anderen Mode, als sie die dünnen, fließenden Roben der Tanu darstellten. Es war mit roten und schwarzen Perlen besetzt. Ihr schwarzer Mantel hatte glockenförmige Schleppärmel und Einfassungen aus roten Flammenzungen. Ihr hoher Hut, ebenfalls schwarz und rot, glitzerte von Juwelen; ein schwarzer Schleier wallte davon nieder. Das Kostüm erinnerte Elizabeth abgesehen von dem dekorativen Atemgerät an einen Wandteppich des Mittelalters, der den großen Salon in der Auberge du Portail geschmückt hatte. Es war eine archaische Aura um die Schiffsgattin, ein Flair, das sie verdächtig von den anderen Fremden unterschied. Brede war keine Barbarin, kein Orakel, keine Priesterin-Mutter. Alle Versuche Elizabeths, sie zu analysieren, hatten sich bisher als vergeblich erwiesen.
    »Sag mir, was du von mir willst«, bat die menschliche Frau. »Erzähl mir, wer du wirklich bist.«
    Die Schiffsgattin hob ihren gebeugten Kopf und zeigte ein süßes, geduldiges Lächeln. Zum ersten Mal sprach Brede ihre Gedanken laut aus.
    »Warum willst du nicht in der Gedankensprache mit mir reden, Elizabeth?«
    »Es wäre unvorsichtig von mir. Du bist gefährlicher als die anderen. Wie wir beide wissen.«
    Brede erhob sich von der Bank. Ihr Atmen wurde wieder mühsam, und sie hob den Respirator, um es sich zu erleichtern. »Diese Atmosphäre - so angenehm für die Tanu und die Firvulag - ist zu dünn für jemanden meiner Herkunft. Willst du nicht in mein Haus kommen? Drinnen ist die Luft mit Sauerstoff

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