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Der goldene Schwarm - Roman

Der goldene Schwarm - Roman

Titel: Der goldene Schwarm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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eigentlich zerstören müsste, nur stärker machen.
    Der Polizist schaut wieder zu ihnen herüber. Polly steuert den Wagen um eine Ecke. »Wohin jetzt?«
    Er kann nicht auf der üblichen Strecke zu seiner Lagergarage am Flussufer gelangen. Das Bild einer 1,83 Meter großen alten Dame mit Früchten am Hut, die in Begleitung einer dunkelhaarigen Sexbombe mit erotisch lackierten Zehen die Gasse entlangzuckelt, würde ganz gewiss einige Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
    »Hier runter, dann rechts«, sagt er und weist ihr den Weg durch ein Labyrinth von Beinahe-Sackgassen und heruntergekommenen Lagerhäusern. Zweimal leitet er sie tatsächlich durch solche Gebäude, durch höhlenartige Werkshallen, durch die der Wind vom Fluss weht und wo Lumpen vor den zerbrochenen Fensterscheiben hängen. Er hofft, dass die Scherben nicht die Reifen aufstechen.
    Kurze Zeit später stehen sie auf einem langen hölzernen Pier. Eine dicke Elektrokabelschlange verläuft über die Kante durchs Wasser und taucht am anderen Ende in die Luke eines alten, kopflastigen Flusskahns. An Deck des Kahns sitzt ein Mann mit sandfarbenem Haar und einer Pony-Tätowierung auf einem Arm. Auf seinem Schoß hockt ein schmuddeliges Kleinkind in einer Rettungsweste, dem er offenbar eine Art Leine umgelegt hat und dem er, einiger kindlicher Rebellion zum Trotz, aus einer eselsohrigen Ausgabe von Winnie Puh vorzulesen versucht. Griff Watson ist Anarchist und Ehemann einer Anarchistin, ganz zu schweigen davon, dass er der eigentliche Eigentümer jener unter der Bezeichnung Parasit bekannten bösartigen Katze ist, aber er sieht eher wie jemand aus, der ein Buch über professionelles Fliegenfischen schreiben würde.
    »Hallo, Joe!«, ruft Griff. »Willst du in See stechen?« Er pflegt nämlich die Wunschvorstellung, dass das Hausboot nicht für immer am schlammigen Ufer der Themse vertäut wäre, sondern jederzeit fahrtüchtig sei.
    »Hallo, Griff! Das ist Polly. Polly, das ist Griff.«
    »Hallo, Polly! Kommt an Bord. Die See ist ruhig heute.«
    Polly Cradle schaut Joe an, und er nickt. »Ja, Käpt’n«, sagt sie verspielt, aber Griff Watson korrigiert sie sanft. Auf eine Order vom Kapitän, erklärt er, lautet die einzig richtige Antwort: »Aye aye.«
    Joe Spork hat seine Hut-Verkleidung abgenommen, trägt aber noch immer einen nicht sehr kleidsamen, floral bedruckten Umhang. Wenn Griff daran etwas merkwürdig finden sollte, so behält er es für sich. Bevor es jedoch zu gemütlich werden und er anfangen könnte, die Wetterbedingungen in der Deutschen Bucht zu besprechen, hebt Joe die Hand.
    »Griff, ich bräuchte deine Hilfe. Aber du musst darüber nachdenken – du kannst nicht einfach so Ja sagen.«
    »Ich sag Ja.«
    »Es ist nicht so einfach.«
    »Für mich schon. Du bist einer der Guten.«
    »Ich muss mir dein Beiboot ausleihen und zu meiner Garage am Fluss schippern. Erinnerst du dich?« Griff hatte mal ein altes Cembalo dort untergestellt, das er in Einzelteilen gefunden hatte und das in Joes Werkstatt zusammengesetzt worden war – als ein Geschenk für seine Frau. Es steht noch immer in der oberen Bootskabine. An Sommerabenden kann Joe sie manchmal eine Melodie spielen hören: ein zögerliches, arhythmisches Klirren, das über das Wasser tönt. Das Cembalo müsste gestimmt werden, aber selbst wenn das nicht der Fall wäre – Abbie Watson ist nicht sonderlich musikalisch.
    »Klar erinner ich mich. Wollen wir gleich los?«
    »Das ist der einfache Teil. Der komplizierte Teil ist, dass ich in gewissen Schwierigkeiten stecke. Ich hab nichts getan, aber ich bin in einen ziemlichen Schlamassel reingeraten, und du könntest dadurch auch Ärger bekommen.«
    »Wird dir das helfen, aus deinen Schwierigkeiten rauszukommen?«
    »Könnte sein.«
    »Also, wollen wir dann jetzt los?«
    »Willst du nicht Abbie fragen?«
    »Die würde bloß wissen wollen, warum wir nicht längst unterwegs sind. Du bist ein guter Nachbar, Joe. Anständiger Mann. Irgendwann wird es dir wie Schuppen von den Augen fallen. Es gibt nicht viele wie dich hier in der Gegend. Oder sonst irgendwo auf der Welt.« Er wirft Polly einen Blick zu. »Er ist schrecklich stur, wenn es darum geht, Hilfe anzunehmen, oder?«
    »Er glaubt, alles, was irgendwo auf der Welt passiert, wäre irgendwie seine Schuld«, erwidert sie. »Mein Bruder meint, das wäre so eine Art invertierter Egoismus.«
    »Was für Schwierigkeiten sind das denn nun?«
    »Ich bin mir nicht sicher.«
    »Regierung?«
    »Ja, ich glaub

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