Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der goldene Schwarm - Roman

Der goldene Schwarm - Roman

Titel: Der goldene Schwarm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
Vom Netzwerk:
Mitverschwörerin. Seiner Komplizin. Herrgott. Ich bin auf der Flucht. Ich laufe vorm Gesetz davon.
    Einen Augenblick später öffnet Joe die Tür zu seiner Lagergarage und tritt über die glitschige Schwelle. Er schnappt sich den Plattenkoffer, zusammen mit der goldenen Biene und den geheimnisvollen Werkzeugen, wobei er sich wünscht, er hätte seinem Schatz noch einen tragbaren Plattenspieler hinzugefügt, und wendet sich wieder zum Gehen. Dann sieht er, wie etwas von dem niedrigen Türrahmen heruntersackt. Zuerst glaubt er, eine tote Krähe oder ein Müllbeutel sei von den Simsen gestürzt. Dann scheint es sich auszudehnen, sich zu strecken und zu versteifen.
    In der Tür steht eine gesichtslose Gestalt, gehüllt in schwarzes Leinen.
    Hexe. Vampir. Leprakranker.
    Er öffnet den Mund, will sprechen. Der Ruskinit tritt durch die Tür und späht ihn an. Zumindest glaubt Joe das. Die Gestalt neigt leicht den Kopf, erst in die eine, dann in die andere Richtung. Dann ignoriert sie ihn und stakst an ihm vorbei auf die Regale zu.
    Herrgott. Sie ist blind.
    Aber nein, das stimmt nicht. Torkelnd weicht sie ihm und dem Müll auf dem Boden aus.
    Sie ist an ihm nicht interessiert.
    Joe steht bewegungslos in der Mitte des winzigen Lagerraums und fragt sich, was er tun soll. Dann bewegt er sich ganz langsam auf die Tür zu.
    Der Ruskinit stürzt mit vorgestreckten Händen auf ihn zu. Das Gewand verursacht ein scharfes flatterndes Geräusch. Joe reißt sein Gesicht und seinen Hals zurück, bringt beides in Sicherheit, aber die Hände – Hände in Handschuhen, eingehüllt in Stoff, knochige Hände, fleischlos unter dem Leinen – greifen nach seinen Armen, um sich in sie hineinzubohren, und sind geradezu lächerlich stark. Schmale Finger und unbewegliche Muskeln halten ihn fest wie Handschellen. Das leere Gesicht zuckt vor, sucht Joes Gesicht. Aber unter dem Schleier muss eine Maske verborgen sein, denn der Kopf, der sich, während sie kämpfen, gegen Joes Kopf drückt, ist hart. Joe versucht zuzuschlagen: kein Treffer. Er versucht, seine Arme loszureißen. Das stoffbedeckte Gesicht schlängelt sich ihm rasend schnell entgegen. Er zieht seinen Kopf weg und hört einen Mund zuschnappen – wie einen Schnabel. Der Biss ist kräftig, als würde die Tür eines teuren Wagens zufallen. Scharfe Zähne, Herrgott. Er hört ein heiseres Geräusch, von dem er hofft, dass es ein Atmen ist. Eine durchdringende Angst steigt in ihm auf, die Angst, dass dies gar kein Mensch ist.
    Flüchte. Kämpfe. Überlebe.
    Sein gesamtes Leben ist seit langer Zeit völlig auf Flucht ausgerichtet, seine Kampfinstinkte eingerostet. Aber hier, an diesem engen kleinen Ort, mit dem Fluss auf der einen Seite und den dunklen Gängen aus Londons Vergangenheit auf der anderen, gibt es keinen Fluchtweg. Das Monster ist da und der Rückzug versperrt. Ungeschickt springt er nach vorne. Es ist eigenartig einfach. Er ist stark. Stärker, als er es sich zugetraut hätte. Zugleich hat er das Gefühl, dass der Ruskinit eher versucht, ihn in Schach zu halten, als ihn zu töten. Vielleicht hat er genaue Anweisungen bezüglich Joe Sporks.
    Nicht sehr beruhigend.
    Er hebt den Ruskiniten in die Höhe und schleudert ihn gegen eine Wand, wirft sich mit seinem ganzen Gewicht gegen seinen Feind. Keine Reaktion. Nicht einmal ein Nach-Luft-Schnappen. Er wiederholt es und spürt, wie sich der Griff an seinem rechten Arm ein wenig lockert. Er bäumt sich wieder auf und stürmt voran. Und noch einmal. Sie ringen miteinander, umschlingen sich. Joe drängt näher, presst seinen Unterarm unter das Kinn des anderen, damit dieser nicht zubeißen kann, und schiebt seine Schulter in die Achsel des Feindes, um dessen Hand abzuwehren. Dabei schnappt der Kopf immer wieder nach ihm, eine unablässig vorschnellende schlangenartige Bewegung, die irgendwie sehr unecht wirkt und sehr beängstigend. Joe brüllt irgendetwas Wortloses, das Lass mich los! bedeuten soll, und stößt seinen Gegner mit aller Kraft zurück. Es ist eine Explosion, die aus seinen Füßen über die Hüften in seine Hände dringt: Sein gesamtes Gewicht und all seine Muskelkraft stoßen gegen den Brustkorb des Angreifers.
    Der Ruskinit stürzt gegen die alten, mit Metall verkleideten Regale und bleibt dort hängen, zuckt und keucht, als käme er nicht mehr von der Stelle. Joe macht einen Schritt zur Seite und schaut genauer hin.
    Einer der Strebebalken hat sich von der Wand und dem Regal gelöst. Die scharfe Metallspitze hat sich in

Weitere Kostenlose Bücher