Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der goldene Schwarm - Roman

Der goldene Schwarm - Roman

Titel: Der goldene Schwarm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
Vom Netzwerk:
schon.«
    Griff spuckt sehr präzise in den Fluss. Die Geste passt nicht zu ihm, wodurch sie eigenartig kraftvoll wirkt. Dies ist kein spuckender Mann. Dies ist ein milder Geselle, doch es zeigt, was er von der Sache hält.
    »Hast du einen Namen?« Griff verfügt über ein enzyklopädisches Wissen in Sachen Verschwörungstheorien. Er hat Informationen parat über alles, von schwarzen Hubschraubern und dem Waffenhandel über Drogenkartelle, MJ -12s und die Freimaurer bis hin zu den Ark-Mariner-Logen.
    Joe schaut Polly Cradle an. »Titwhistle«, sagt sie.
    Griff knurrt. »Bastard.«
    »Du hast von ihm gehört?«
    »Klar. Gehört zum Nachlassamt. Ist wahrscheinlich das verdammte Nachlassamt in Person.«
    »Und was soll das sein?«
    »Räumt den Mist weg, den die Regierung hinterlässt, klar? Den ganzen Ramsch. All die Geheimnisse, die sie so lange bewahrt haben, dass ihnen schon gar nicht mehr bewusst ist, was sie bedeuten. Wenn die eine Hand nicht wissen darf, was die andere vorhat, dann ist die, die tut, was gerade nötig ist, das Nachlassamt. Fing zur Zeit von Heinrich dem Achten damit an, dass die Bastarde umgebracht wurden. Die unehelichen Kinder, meine ich, nicht Bastarde wie Titwhistle. Pass bloß auf dich auf, Joe.«
    »Wenn du damit lieber nichts zu tun haben willst …«
    »Ach, lass stecken. Du bist jetzt im Krieg, mein Freund. Wir sind Waffenbrüder, du weißt es bloß noch nicht.« Nach dieser beunruhigenden Feststellung beugt sich Griff ins Bootsinnere. »Jen! Komm rauf, und pass auf deinen Bruder auf. Ich lass den Walfänger ins Wasser.«
    Polly wirft Joe einen Blick zu.
    »Die korrekte Bezeichnung für Griffs Beiboot lautet rein technisch Walfänger «, erklärt Joe, weil er nicht darüber reden will, ob es sich bei diesem Nachlassamt bloß um ein Hirngespinst fragwürdiger Verschwörungstheoretiker handelt oder um ein ernsthaftes Problem, »da muss man schon genau sein.«
    »Muss man das?«
    »Wenn du Griff fragst, schon.«
    Griff händigt das Kleinkind an der Leine einem dreckigen Mädchen mit blassem Gesicht aus, das gefärbte Watte im Haar und lilafarbene Latzhosen trägt. In einer Hand hat es eine angeschlagene Porzellanpuppe, die auf einer hölzernen Scheibe steht.
    »Wie geht’s Rowena?«, fragt Joe und deutet auf die Puppe. Jen lächelt und drückt einen Knopf. Eine hübsche Melodie ertönt, und die Scheibe beginnt sich zu drehen. Würde man das Spielzeug aufrecht hinstellen, würde die Puppe nun langsam zur Musik im Kreis tanzen. Ein Stück aus dem Trödel, den Joe den Watsons in ruhigeren Tagen geschenkt hat.
    »Gut«, sagt Joe. Jen nickt.
    Von der Wasserseite des Hausbootes kündigt ein dumpfes Gurgeln an, dass der Walfänger aus seinem Schlummer erwacht ist. Der Geruch von billigem Benzin, das in einem stotternden Motor verbrannt wird, legt sich über das Boot. Das Kleinkind verzieht das Gesicht.
    »Bereit zum Ablegen«, ruft Griff. »Wird Zeit!« Er zögert. »Muss ich dabei sein?«
    »Nein, Griff«, sagt Joe nachdrücklich. »Ich kann mit einem Außenbordmotor umgehen. Du hast mich mal mit zum Angeln genommen, weißt du noch? Es wird nur zehn Minuten dauern.« Damals wären sie allerdings fast mit einem Schiff der Küstenwache kollidiert, weil Griff darauf bestanden hatte, Vorfahrt zu haben. Was ganz gewiss auch der Fall war, nur dass das Bötchen winzig war und über keinerlei Bremsen verfügte.
    »Also schön! Dann gute Fahrt.« Er macht sie los.
    Der Walfänger tuckert über die ölige Themse und an den mit Holzbrettern verschlagenen Ufern entlang. Joes Laden ist vielleicht eine Meile entfernt, die Strecke bis zu seiner Ufergarage noch kürzer. Wird der Fluss überwacht? Drücken sich dort Gesichter gegen die Scheiben? Das von einem dünnen und das von einem dicken Mann womöglich? Aber es gibt von der Werkstatt aus keinen direkten Zugang zur Themse, und außerdem glauben sie, dass er sich, wie ein braver, vernünftiger Junge, im Raspberry-Room der Kanzlei Noblewhite Cradle versteckt. Und warum ist das eigentlich nicht der Fall?
    Joe schaltet den Motor aus, und der Walfänger treibt aufs Ufer zu. Er lässt Polly Cradle ans Ruder. »Du weißt, wie man das macht?«
    »Ja.«
    »Lass den Walfänger mit der Strömung zurücklaufen. Gib mir etwa zwei Minuten, dann starte den Motor – der rote Knopf da, ja, ich weiß, dass du das weißt –, und dann komm und hol mich. Wenn wir ihn laufen lassen, hört es vielleicht jemand.«
    Er spricht mit seinem Mädchen. Mit seiner Verbündeten. Seiner

Weitere Kostenlose Bücher