Der goldene Schwarm - Roman
sie beiseite, wobei sie einen Schmierfleck auf der Haut hinterlässt. Ihr Gesicht ist sehr blass und spitz, und sie hat Sommersprossen. Sie muss ungefähr 1,58 Meter groß sein und ist entsprechend zierlich. Die Ärmel ihrer Bluse sind von mit Tinte geschriebenen mathematischen Notizen bedeckt. Sie runzelt die Stirn. »Oh. Haben wir? Ja, du hast ganz recht, das haben wir. Weil Shem von mir eine Waffe haben will. Ja. Weißt du, dass er sehr charmant ist? Ich hatte keine Ahnung, dass das seine Absicht ist. Er macht einen so philanthropischen Eindruck. Alle Kriege beenden. Ich bin eine Idiotin. Ich hätte es wissen müssen. Nun, ich werde es natürlich nicht tun. Aber dies ist nicht die beste Zeit für meinen Aufbruch. Ich stecke gerade mittendrin in einer ziemlich wichtigen Sache.« Sie blickt Edie an und winkt ab. »Meinen Sie, dass Sie vielleicht in ein paar Wochen noch einmal wiederkommen könnten, Banister?«
Edie starrt sie an. »Wegen des Teekessels?«
»Nein, nein, das dauert nur einen Tag. Höchstens. Nein, wegen einiger Tests am Kompressor und dem … eh, bien , ich sehe schon, Sie verstehen mich nicht. Sagen wir, an den Maschinen. Ich habe den Prozess eingeleitet. Ich isoliere eine stehende Welle. Diese Welle besteht natürlich aus Wasser, aber die Dynamik ist mathematisch betrachtet dieselbe.« Sie deutet auf den am Seilzug hängenden Wassertank.
»Eine was?«
»Eine Welle. Aus dem Fluss. Ich nehme die Welle aus dem Fluss und erhalte sie in dem Behälter. Sie verstehen natürlich, was das bedeuten würde?«
»Nein.«
»Wenn ich sehr alt bin, werde ich eine Schule gründen, in der man intelligenten jungen Leuten naturwissenschaftliche Grundlagen beibringt.«
»Frankie«, sagt Dotty Catty streng. »Sei nicht unhöflich.«
Frankie knurrt. »Na schön. Also, Banister, bitte hören Sie gut zu, und versuchen Sie, nicht zu oft Was? zu sagen, sonst muss ich schreien.
Vernünftigerweise wird die Bedeutung des Begriffes Wahrheit als Übereinstimmung unserer Wahrnehmung des Universums mit der darunter liegenden Realität verstanden. Ja? Wenn das, was wir glauben, mit der externen Wahrheit der Welt übereinstimmt … Sie starren meine Hose an. Was ist denn gegen sie einzuwenden?«
Edie, die sich gefragt hat, ob sie der plappernden Irren einfach eins über den Schädel ziehen und sie wegschleifen sollte, erwidert, dass nichts gegen die Hose einzuwenden sei. Tatsächlich stimmt das auch. Sie ist seltsam, aber formschön, und in ihr zeichnen sich ordentliche Beine ab.
» Bof . Also: Wahrheit bedeutet, dass der Geist die Welt richtig versteht. Genau wie das Wasser in dem Tank dort, ist der menschliche Geist also eine Welle. Sie formt sich im Gehirn. Ein sehr komplexes Muster, das von einem halbwegs komplexen Gefüge nach recht einfachen Regeln gebildet wird. Stellen Sie sich das Gehirn des Menschen als einen jeweils ganz individuellen Stein vor. Wenn der Strom über den Stein fließt, kräuselt sich die Oberfläche, nicht wahr? Das nennen wir eine stehende Welle. Die mentalen Prozesse Ihres Geistes sind also das Kräuseln. Das Leben ist die Bewegung des Wassers, die sich im jeweiligen Muster des Kräuselns abbildet. Der Tod ist das Verebben des Musters, wenn der Stein verschwindet oder der Untergrund wegbricht. Verstehen Sie das? Wenn der Geist Wahrheit wahrnehmen soll – wenn er sie erkennen, nicht nur an sie glauben soll –, muss sich die Beschaffenheit der Welle ändern. Das Kräuseln muss sich so weit ausdehnen, dass es das Bett des Flusses berührt, sodass die Wahrheit unvermittelt zur Anschauung gebracht und wahrgenommen werden kann, nicht bloß durch unsere Augen und Ohren. Die Maschine, die ich baue, wird die Welle ausdehnen. Es ist wie bei diesem neuen Sonar: ein zusätzlicher Sinn. Ein Sinn, um die Wahrheit zu erkennen. Daraus folgt, dass sich die Welt im Positiven verändern wird. Voilà. C’est simple .«
»Wofür steht das Wasser?«
Frankie Fossoyeur hält inne und blickt sie durchdringend an. »Wie bitte?«
»In Ihrer Analogie. Wofür steht das Wasser im menschlichen Geist?«
»Dies«, sagt Frankie Fossoyeur, »ist die erste intelligente Frage, die mir in den letzten zwölf Monaten gestellt wurde. Aber, verstehen Sie, das ist ja gerade das Problem. Das Wasser ist so etwas wie der Grundstoff des Universums. Woraus Materie und Energie bestehen. Hah! Sagen Sie dem kleinen Schweizer, dass ich ihn übertroffen habe!«
»Miss Fossoyeur …«
»Doktor.«
»Doktor Fossoyeur. Wie funktioniert
Weitere Kostenlose Bücher