Der goldene Schwarm - Roman

an den Lovelace, mottete ihr einziges wahres Zuhause ein. Weil es ihr Job war. Weil sie mehr denn je glaubte, dass die Welt weder Frankies Maschine brauchte noch ihre verzweifelte Entschlossenheit und auch sonst nichts von ihr, außer ihr Schweigen. Entwickele meinetwegen eine bessere Mausefalle. Oder bring das Mühlrad in Ordnung, bevor es zerbricht. Aber lass die verdammten Geheimnisse des Universums in Frieden.
    »Holen Sie sie nach Hause, Edie«, sagte Abel Jasmine in Whitehall. »Wenn sie jemand anderer in die Finger kriegt, zwingt man sie vielleicht … nun ja. Holen Sie sie nach Hause.«
    Also machte Edie sich auf den Weg.
    Sie verfolgte Frankies Spur nach Salzburg, dann nach Budapest, nach Delhi und Peking und wieder zurück. Frankie war ein Genie. Sie verstand es, für Ablenkung zu sorgen. Die Leute fanden plötzlich kuriose Maschinen, deren Zweck niemand kannte. Sie feierten mathematische Durchbrüche, die von unbedeutenden, hart arbeitenden Provinzakademikern zustande gebracht wurden, die zuvor ein zufälliges Gespräch mit einer schlanken, gelehrten Frau in einem Café oder in einer Bar geführt hatten. Sie zogen Börsentipps aus einer überaus originellen Formel, machten ein Vermögen und fuhren in den Urlaub. Doch Frankie selbst, die, mit der Tasche einer Lehrerin in der Hand und den Geheimnissen des Universums im Kopf, wie ein Komet eine Leuchtspur brillanter Lösungen für unlösbare Probleme hinter sich herzog, blieb auf verrückte Weise unsichtbar. Nichtsdestoweniger konnte man sie von Zeit zu Zeit finden, wenn man wusste, wie. Edie konnte es. Shem Shem Tsien konnte es auch.
    Sie spielten Katz und Maus – oder vielleicht Katz und Maus und Hund – von einer Ecke der Welt zur anderen. Mit der Zeit wurde es zu einem schlechten Witz in den Geheimdiensten von dreißig Ländern. Wo der eine hinging, tauchten auch die anderen beiden auf, und unweigerlich folgten Chaos und Zerstörung auf dem Fuß. Sie kämpften, sie flohen, sie wüteten, und nichts änderte sich. Es war, als wäre die Welt elastisch und würde immer wieder in dieselbe verdammte, idiotische Form zurückfinden.
    Bis zu diesem Tag hat Edie keine Ahnung, wo oder wann Frankie starb; sie weiß nur, dass sie gestorben sein muss, denn am Ende war sie schlichtweg nicht mehr da.
    Im Bus weint Edie stumme Tränen und sagt Frankie im Stillen, wie leid es ihr tut, so lange damit gewartet zu haben, alles zu ändern. Aus der hässlichen Handtasche taucht eine tröstliche Schnauze auf. Sie lacht. Ja. Was auch kommen mag, Bastion ist da für alle Zeit.
    Er kam sehr klein und schwer verwundet bei ihr an, spät an einem Septemberabend. Er hatte Murmeln anstelle von Augen und einen vagen, verwirrten Ausdruck von Unzufriedenheit im Gesicht. Ein Streuner , dachte Edie, natürlich . Frankie hatte in so einem Fall nie widerstehen können. Und mit dem Hund kam ein letzter Brief.
    Edie gab dem wartenden Taxifahrer ein Trinkgeld und trug das ganze Paket ins Haus. Sie wusste, dass sie Abel Jasmine anrufen könnte oder denjenigen, der jetzt seinen Job hatte.
    Aber zu diesem Zeitpunkt hatte sie sich bereits selbst davon überzeugt, dass ihr nichts mehr daran lag, und ganz gewiss hatte sie kein Vertrauen mehr in irgendetwas, das mit der Regierung zu tun hatte.
    Liebste Edie,
    bitte kümmere dich um ihn. Er hat das Herz eines Helden, da er unter den Elefanten von Addeh Sikkim aufgewachsen ist und all seine Brüder und Schwestern den letzten Gräueltaten von Shem Shem Tsien zum Opfer gefallen sind. Ich habe für ihn getan, was ich konnte. Er erinnert mich ein wenig an dich. Auch er weiß nicht, wann es Zeit ist, aufzugeben. Er liebt maßlos und unüberlegt, und seine Fähigkeit zur Vergebung verblüfft mich zutiefst, ebenso wie deine.
    Als ich Mathew zum ersten Mal mit Daniel auf der Straße sah, glaubte ich, ich sei verrückt geworden. Schließlich hatte ich damals in Frankreich mit eigenen Augen ihre Namen auf der Liste der Toten gesehen. Daniel erzählte mir, dass sie geflüchtet und nach England gekommen seien, dass er aber geglaubt hatte, ich sei tot.
    Ich liebe ihn nicht. Ich kenne meinen Sohn nicht. Aber ihre Existenz hat alles in mir verändert, und nun ist mir klar, was ich zu tun habe. Erinnerst du dich an Deutschland?
    Es hätte mir damals schon klar sein müssen, aber ich hatte dich, und ich hatte keinen Sohn. Es hätte mir klar sein müssen, als England ’56 das Leid Ungarns ignorierte oder ’68 das von Prag. Ich hätte es sehen müssen in Vietnam und in