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Der goldene Schwarm - Roman

Der goldene Schwarm - Roman

Titel: Der goldene Schwarm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Fenster gerammt wurde, und dann begann derselbe jemand, sie zu würgen.
    Keine Zeit. Ihr Angreifer war dabei, sie zu töten.
    Sie bewegte sich.
    Lass dein Gewicht absinken. Kümmere dich nicht darum, dass dadurch dein Atem eingeschränkt wird. Du bekommst ja sowieso keine Luft. Finde deine Basis, deine Verbindung zum Boden. Ja, dort. Jetzt: Schmiege dich näher an deinen Angreifer. Fixiere seinen Arm dort, wo er ist. Greif dir seinen Ellenbogen und Bizeps und dreh deinen gesamten Körper, indem du deine Füße drehst. Neunzig Grad, mehr, weg von diesem Bizeps. Drück deine Hände nach vorn, als würdest du ein Klavier mit deinen Handballen schieben.
    Tai Otoshi.
    Es war wie Yama Arashi , nur für Würger.
    Ein Mann flog über ihre Hüfte und krachte gegen den Schreibtisch. Er bäumte sich auf. In diesem Kampf gibt es keine Kompromisse. Keinen Schmerz, keinen Rückzug. Edie schoss zur Seite und aus seiner Angriffslinie, griff sich dann in einer fließenden Drehung seinen Hals, warf ihn auf den Rücken und auf die scharfe Kante des Mahagonitisches. Sie hoffte, dass ihn das für einige Sekunden außer Gefecht setzen würde, aber er war schwerer, als sie geglaubt hatte, und sie hörte ein scharfes Knacken. Irimi Nage , aber sie hatte nicht vorgehabt, ihn zu töten. Sie spähte auf das schlaffe Gesicht hinunter und erkannte es.
    Denis. Frankies Assistent in Addeh Sikkim. Der schwere, freundliche, geduldige Denis.
    Nach einem Augenblick sagte Edie: »Scheiße«. Es kam heiser und laut hervor. Und dann hasste sie sich. Und dann hasste sie sich noch mehr, denn gerade, als sie sagen wollte, es gäbe keinen anderen Weg, wurde ihr klar, dass das nicht stimmte.
    Den Trick hab ich schließlich schon benutzt, als ich noch ein dummes kleines Mädchen war.
    Edie ging hinüber zu Sholt und stellte fest, dass er bei Bewusstsein war. Sein Schlüsselbein war jedoch auf der linken Seite gebrochen. Sie schleifte ihn vorsichtig in den vorigen Waggon zurück und sagte ihm, er solle ruhig liegen bleiben. Dann zog sie sich über das Oberlicht aus dem Zug hinaus und aufs Dach.
    Es war warm oben auf dem Dach und angenehm ruhig. Mit einem Mal wollte sie nicht mehr hinein. Sie wollte auf gar keinen Fall wieder hinein. Aber unten, am hinteren Teil des Zuges, konnte sie ihre Soldaten sehen. Songbird schaute auf, mit Hoffnung im Gesicht. Edie seufzte.
    Ja, natürlich. Er – und die anderen – vertrauten darauf, dass sie all das in Ordnung bringen würde. Und nicht darauf, dass sie ängstlich, verwirrt oder beunruhigt war. Die blutige Gräfin gerät niemals ins Wanken.
    Sie eilte voran und ließ sich durch die Belüftungsklappe in den Laboratoriums-Waggon hinein, wobei sie den Atem anhielt und betete.
    Frankies Laboratorium war leer. In der Mitte des Raumes befand sich ein Sockel, auf dem eine ausgeweidete Muschel stand. Eines von Frankies eigentümlichen Werken, ein Ruskiniten-Gehäuse für ein Hakote-Gerät. Nichts war darin. Kabelspulen hingen von der Decke auf den Sockel herab, chaotisch und typisch für Frankie. Der Raum war ruhig und sauber.
    Edie suchte ihn methodisch ab und bemühte sich, nicht zu hetzen. Sie schaute unter Tischen und Schränken, von denen sie jeden mit der schrecklichen Erwartung öffnete, sie würde darin Frankie finden. Ein Haufen von Stiften fiel auf sie herunter, und sie schrie scharf auf, schmiss sie dann mit bemerkenswerter Kraft durchs Zimmer, wobei ihre Angst eine neue Gestalt annahm: Was, wenn Frankie doch nicht hier war? Wenn sie sich nicht im Laboratorium befand, wo dann? Lief sie geistlos durch die Nacht? Aß sie draußen die Toten? Oder war sie verschleppt worden? War dies hier eine Entführung und gar kein Unfall? Edie kannte jemanden, der das Ermorden von tausend Menschen für eine nette Abwechslung halten würde.
    Sie drehte sich um und fand ihre Antwort – ein einziges Wort, das mit Kreide auf die Tafel geschrieben worden war: Edie! Und darunter eine ordentlich gefaltete Nachricht. Es war Frankies Handschrift.
    Edie schnappte sich den Brief und riss ihn auf.
    Edie. Ich weiß, dass sie dich schicken werden. Ich weiß, dass du kommen und das hier sehen wirst, und es tut mir leid. Niemand sollte dies sehen müssen.
    Du musst wissen, dass ich dies getan habe. Es ist kein Trick und auch keine Falle. Es ist nicht Shem Shem Tsien gewesen, auch nicht die Russen oder sonst wer. Es bin nur ich gewesen, und ich bin eine hochmütige Idiotin. Ich bin am Leben. Im Auge des Sturms, wo das Feld nicht derartig stark

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