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Der goldene Schwarm - Roman

Der goldene Schwarm - Roman

Titel: Der goldene Schwarm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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konnte.
    »Treiben Sie sie nicht in die Enge«, sagte Ted Sholt, »und bringen Sie sie nicht in eine Lage, in der sie nicht tun können, was sie eben zu tun scheinen. Das macht sie …« Er blickte auf, sah ihr Gesicht. »Oh. Das wissen Sie schon.«
    »Ja.«
    »Was … mussten Sie …« Er wollte wissen, ob sie einen seiner Freunde umgebracht hatte.
    »Nein«, sagte Edie, und sie teilten einen Augenblick innigen Verständnisses: Nicht, dass es einen großen Unterschied machen würde .
    Einer der zumbi huschte sehr dicht an ihnen vorbei, und Edie zuckte zurück. Er kam näher und streifte sie. Sie wandte sich ab. Er wandte sich auch ab, wobei sein kieferschlaffes Gesicht dem ihren folgte wie ein Spiegel. Sie machte sich klein. Er machte sich klein. Als sie sich aufrichtete, tat er es auch, und als sie starr stehen blieb, tat er es ebenso. Sie wandte sich ab und ging geradeaus weiter, und weil ihm ein Stuhl den Weg versperrte, blieb er stehen, ohne den Versuch zu unternehmen, um ihn herumzugehen, als wäre ihm diese Vorstellung völlig fremd.
    »Ich habe versucht, sie zu füttern«, sagte Sholt, während er ihrem Blick folgte. »Sie schlucken nicht. Man kann sie zwingen, aber es kommt einfach wieder hoch. Ich bin mir nicht sicher, warum sie immer noch atmen. Ich hätte gedacht …« Er hielt inne. Sie schaute ihn wieder an und sah ihn zum ersten Mal richtig. Er musste hierhergekommen sein, obwohl – nein, gerade weil all das passiert war. Keine Waffe, keine Lampe. Nur eine Flasche Milch und sehr viel Gottvertrauen, vielleicht zählte das ja auch als Wohltätigkeit.
    Tapferer kleiner Hamster.
    »Ich bin Edie.«
    Er nickte. »Hallo.«
    »Sind Sie da drin gewesen?« Sie machte eine Geste in Richtung der Waggons, die zu Abel Jasmines Büro führten.
    »Nein«, sagte Ted Sholt. Er hob die Milch, senkte sie wieder. Edie konnte ihn für einen Moment vor ihrem geistigen Auge sehen, wie er das Zeug geduldig in die Münder der Männer geträufelt hatte, die er kannte, sogar liebte, und es aushalten musste, wie sie ihn anspuckten oder vollkotzten und die Milch an ihrem Kinn herunterlaufen ließen.
    Sie gingen weiter. Korridor. Wohnabteile. Bordküche.
    Und dann der Dechiffrierraum – wo Edie bis zu der Nacht ihres Abenteuers auf dem Dach des Lovelace mit Clarissa Foxglove gearbeitet hatte.
    Ted Sholt gab einen kurzen Laut der Trauer von sich.
    Es waren Ruskiniten im Dechiffrierraum, oder Männer und Frauen, die Ruskiniten gewesen waren. Edie erkannte einen Jungen namens Paul, einen Glasbläser. Er hatte vor einem Jahr Weingläser für sie und Frankie hergestellt, wunderhübsche Stücke. Er lag auf dem Boden und starrte zur Decke. Sie winkte vor seinen Augen mit der Hand.
    »Glah«, sagte er. Als sie es noch einmal tat, wiederholte er dies mit der exakt gleichen Betonung, und einen Augenblick lang hielt sie ihn für lebendig, immer noch anwesend, immer noch Paul. Doch es war die einzige Reaktion, die sie ihm entlocken konnte: Glah, glah, glah, glah … Einen entsetzten Moment lang fürchtete sie, er würde nie wieder aufhören, dass der unheimliche, traurige kleine Laut sie durch den gesamten Zug verfolgen würde. Aber nachdem er es genauso oft gesagt hatte, wie sie ihre Hand vor seinem Gesichtsfeld bewegt hatte, hörte er auf.
    Edie ging weiter. Frankie, ich liebe dich. Bitte sag nicht glah …
    Vor der Tür, die offenbar zu Frankies Laboratorium führte, fand sie zwei Ruskiniten und eine Gruppe von Soldaten sowie eine Frau, die zum Versorgungspersonal gehörte. Sie bewegten sich voran, bis sie von der Wand abprallten, traten dann wieder vor, als könne der Zug durch ihre wiederholten Versuche irgendwann durchlässig werden. Dabei bewegten sie sich leicht auf und ab, und nach einem Augenblick bemerkte Edie, dass sie auf einem weiteren Mann standen oder dessen Überresten, denn unter ihren Füßen war er bereits zu Brei getreten worden. Als sie näher kam, wurde ihr klar, dass er noch nicht wirklich gestorben war. Auch versuchte er nicht zu schreien; was auch immer passiert war, er hatte jedes Empfinden für seinen eigenen Körper verloren.
    Das Problem: Dies war die einzige Tür.
    Noch ein Problem: Diese Verlorenen versperrten den Weg und würden andere Menschen niedertreten, die sich zwischen sie und ihr Ziel schoben. Edie musste auf die andere Seite gelangen, ohne der Menge Zutritt zu Frankies Laboratorium zu verschaffen.
    Und dann packte sie jemand im Nacken und schlug auf sie ein. Sie sah Sterne und wie Ted Sholt gegen das

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