Der goldene Thron
Bewegung zurückziehen! Verstanden?«
William nickte. Es war ihm anzusehen, wie stolz er war, so dicht bei dem Greif zu stehen. Langsam hob er die rechte Hand und streichelte ganz sacht Princess’ Brust.
»Du hast ein Händchen für sie«, sagte Guillaume warm. »Sie an meinen Knappen Geoffrey zu gewöhnen, hat eine Ewigkeit gedauert«, erklärte er und zwinkerte seinem Sohn verschwörerisch zu.
Geoffrey, der seinen Namen vernommen haben musste, kam von hinten auf Guillaume zugestolpert. Prompt versuchte Princess ängstlich, sich von der Hand ihres Herrn zu erheben.
»Du kannst sie nicht anfassen, du erschreckst sie!«, keifte Geoffrey William an.
»Ich?«, fragte der und bedachte ihn mit einem überraschend geringschätzigen Blick.
»Du bist ein Tölpel, Geoffrey. Du hast sie aufgeschreckt!«, grollte Guillaume mit leiser Stimme, um Princess nicht noch mehr zu beunruhigen. Sein Sohn hatte sich tadellos verhalten, Geoffrey aber war als Knappe wirklich eine Qual. Er warf dem Burschen einen wütenden Blick zu. Ich werde dem jungen König sagen müssen, dass ich ihn nicht länger ertrage, dachte er.
Princess hatte sich inzwischen wieder beruhigt, und William die Hand ein weiteres Mal gehoben, um sie zu streicheln.
»Du bist geschickt!«, lobte Guillaume ihn und barst fast vor Stolz auf seinen Sohn.
»Ich habe schon Tauben, Kiebitze, Eichelhäher und andere Vögel gehegt. Manchmal finde ich Gelege, zu denen die Mutter nicht zurückkommt, dann ziehe ich die Vögel auf«, erzählte William mit leuchtenden Augen. »Ich habe sogar schon mal einen verletzten Raben gepflegt, der war sehr gelehrig! Aber er ist weggeflogen. Paarungszeit!« William grinste verlegen und sah Princess bewundernd aus den Augenwinkeln an.
»Nun, mein Junge, mit gewöhnlichen Vögeln haben Falken nicht viel gemein. Raubvögel fürchten den Menschen, hassen ihn sogar und finden sein Antlitz ganz und gar grässlich. Um sie handzahm zu bekommen – der Falkner nennt das ›locke machen‹ – und sie dazu zu bringen, für den Menschen zu jagen, braucht man großes Geschick und unendlich viel Geduld. Der Falke sucht die Nähe des Menschen nicht, er meidet sie. Er liebt die Freiheit. Und gerade weil es so schwierig ist, Raubvögel zu zähmen, ist die Falkenjagd die nobelste aller Arten zu jagen!« Guillaume beobachtete mit großem Vergnügen, wie aufmerksam sein Sohn seinen Worten lauschte, hin und wieder verstehend nickte und versonnen lächelte.
Die Falkenjagd war in der Tat die nobelste Jagd von allen, doch nicht Guillaumes bevorzugte Art, ein Tier zu erlegen. Die Hetzjagddurch einen Wald, in halsbrecherischem, atemlosem Ritt, entsprach mehr seinem Wesen. Seinem Sohn aber sagte er davon nichts, denn die Augen des Jungen leuchteten so sehr beim Anblick des Falken, dass er nicht anders konnte, als sich an dieser Leidenschaft zu weiden.
»William!«, hörten sie eine kräftige Frauenstimme rufen. Es war Ellen, die ihren Kopf aus der Schmiede steckte. »Wo in Gottes Namen treibt sich der Bengel schon wieder herum?«, rief sie verärgert.
Guillaume musste unwillkürlich lächeln, setzte jedoch umgehend eine ernste Miene auf, als sie ihn entdeckte, sich die schmutzigen Hände an ihrem Kleid abwischte und sich über die Stirn fuhr, um ein paar widerspenstige Locken unter ihr Kopftuch zu stopfen.
»Mylord!«, sagte sie überhöflich, wohl um ihm zu bedeuten, dass sie auf Abstand zu bleiben gedachte. Sie deutete ein Nicken an, knickste aber zum Glück nicht. Ein Zucken spielte um Guillaumes Mund. Sie machte keine gute Figur, wenn sie knickste, es passte nicht zu ihr. Unterwürfigkeit lag ihr nicht. Und nach allem, was sie miteinander verbunden hatte, wäre derlei Ehrbezeugung auch vollkommen übertrieben gewesen, das wusste sie so gut wie er. Ihr Haar leuchtete in der Herbstsonne, als glühte es, und entfachte seine Leidenschaft für sie aufs Neue.
Sie nahm ihren Sohn bei den Schultern und schob ihn in Richtung Werkstatt. »Geh zu Jean und hilf ihm!«, befahl sie, bevor sie sich Guillaume erneut zuwandte.
»Der König ist sehr zufrieden mit Runedur«, sagte Guillaume und räusperte sich. Er gab Geoffrey ein Zeichen und übergab ihm Princess. Dann begleitete er Ellen zur Werkstatt.
»Was kann ich für dich tun?«, fragte sie nach ein paar Schritten, blieb stehen, um die Tür der Schmiede zu öffnen, und ließ Guillaume den Vortritt.
»Ein Schwert«, sagte er kurz, »einer der Knappen des Königs soll demnächst zum Ritter geschlagen werden. Er
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