Der goldene Thron
Lächeln huschte über sein Gesicht. Schöner noch als diese Erinnerungen aber waren jene an die Zeit, als sie miteinander verschmolzen waren, ihre Herzen im Gleichklang geschlagen und ihre Augen von Liebe gesprochen, ihre Münder jedoch geschwiegen hatten. Guillaume beschloss, den hinteren Eingang zum Zelt seines Herrn zu benutzen, um von der Unterredung nichts zu verpassen.
Im königlichen Zelt standen seine Waffenbrüder dicht an dichtum die wärmenden Kohlebecken gedrängt. Sie tranken, redeten und lachten laut, während Guillaume, nervös wie ein junger Knappe, nach Ellen Ausschau hielt. Er drängte sich zwischen den Rittern hindurch, bis er ihren roten Schopf entdeckte. Mit züchtig gesenktem Kopf folgte sie dem jungen König zum Thron. Sie musste ihm gleich am Eingang in die Arme gelaufen sein!
Plötzlich sprang der junge Henry mit einem heftigen Satz nach vorn und ließ sich auf dem mit Schnitzereien verzierten Eichenholzstuhl nieder. Während Ellen ihn erschrocken anblickte, grinste er breit. Ganz offensichtlich hatte er seine helle Freude daran, sie verunsichert zu haben.
Dass er solcher Kindereien niemals überdrüssig wurde! Guillaume schüttelte ärgerlich den Kopf.
Wie auf ein geheimes Kommando verstummten alle Anwesenden. Nur das Schaben einiger Füße durchbrach die plötzliche Stille. Neugierig scharten sich die Männer um Ellen. Nur ein kleiner Gang zwischen ihr und dem Thron blieb noch frei.
Ellen ging zögerlich auf den jungen König zu, und auch Guillaume drängte sich an seinen Waffenbrüdern vorbei in Richtung Thron.
»Du bringst mir etwas?«
Guillaume stellte sich neben seinen Herrn und legte den Arm scheinbar gelassen auf die Rückenlehne des Throns. Er musste sich anstrengen, um unberührt und ernst auszusehen, denn Ellen leuchtete vor Aufregung. Erst als er bemerkte, wie bleich Thibault geworden war, umspielte ein winziges, schadenfrohes Zucken seinen rechten Mundwinkel. Dass Thibault sich wegen der Sache mit Jean noch Sorgen machte, war nach all diesen Jahren geradezu lächerlich!
Ellen knickste und streckte dem jungen König wortlos das noch immer eingewickelte Schwert entgegen.
»Nun gib schon her!«, forderte Henry ungeduldig und tippelte mit den Füßen.
Zehn Jahre lag seine Krönung nun zurück, und er benahm sich noch immer wie ein kleines Kind. Guillaume unterdrückte einStöhnen. Ellen richtete sich auf, wickelte das Schwert aus und hielt es ihm hin. Der junge Henry beugte sich blitzschnell vor, riss es an sich und hielt es hoch wie eine Trophäe.
Das Gehänge war aus dunkel gegerbtem, kräftigem Rindsleder und mit einer breiten Messingschnalle versehen, die Schwertscheide selbst ganz mit Gold durchwirkter, purpurfarbener Seide umhüllt und mit gekreuzten Lederbändern daran befestigt. Die breite Spitze schützte ein goldenes Ortband, und über der geraden Parierstange, deren leicht nach unten abgeknickte vergoldete Enden aussahen wie Wolfsmäuler, saß ein mit gedrehtem Golddraht umwickelter Griff, den ein kreisrunder Knauf krönte.
Wohlwollend betrachtete der junge Henry das Schwert, zog es langsam aus der Scheide und wog es in der Hand. Die Edelsteinverzierung würdigte er keines Blickes. Mit einer heftigen Bewegung drehte er sich zu Guillaume um. Das dunkle Surren, mit dem das Schwert durch die Luft sauste, kommentierten die Anwesenden mit anerkennendem Beifall und Tuscheln. Der junge König besah sich das Schwert jetzt ein wenig genauer und drehte es vor Guillaumes Augen hin und her.
»Da! Seht nur, es hat die gleiche Tauschierung wie Athanor!«, rief er. Ein weiteres aufgeregtes Murmeln ging durch die Menge.
Guillaume hatte Ellenweores Zeichen längst entdeckt. Was bezweckte sie nur mit der Waffe? Glaubte sie etwa, der junge König würde ihr das wertvolle Schwert abkaufen? Vermutlich würde er es tatsächlich haben wollen, doch er besaß nicht genügend Barmittel, um es bezahlen zu können. Trotz aller Turniersiege gab er noch immer mehr aus, als er einnahm. Er würde ihr einen viel zu niedrigen Preis bieten, und vermutlich würde Ellen nicht wagen, mehr zu fordern. Im schlimmsten Fall würde sie ihm die Summe dann auch noch stunden müssen und ihr Geld niemals sehen.
Guillaume atmete tief ein. Mit seinem Herrn waren keine guten Geschäfte zu machen, darum hatte er ihm nie von Ellens Begabung erzählt.
»Dieses Schwert heißt Runedur, Mylord«, meldete Ellen sich zu Wort und riss Guillaume aus seinen Gedanken. »Ich weiß,ich sollte es Eurem Boten übergeben,
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