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Der goldene Thron

Titel: Der goldene Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katia Fox
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Straßendreck gekniet und begonnen, den kleinen Mehlberg mit ihren schmutzigen Händen in ihre fadenscheinigen Hemden zu schaufeln, die sie in Ermangelung eines Gefäßes vor der Brust geschürzt hatten. Ein Schwall von Beschimpfungen, die man nicht zu verstehen brauchte, um zu wissen, was sie bedeuteten, regnete auf die beiden Männer herab. Der Junge bekam so heftig eins hinter die Ohren, dass es ihm Tränen aus den Augen trieb, die helle Streifen auf seinem verschmierten Gesicht hinterließen.
    Obwohl die Bäckerin sicher recht mit ihrer Wut hatte, tat Guillaume das magere Kerlchen leid.
    »Hier«, rief Jacques und streckte Guillaume ein längliches, in sich gedrehtes Stück Backwerk entgegen, das nach Kümmel duftete. »Ich konnte nicht widerstehen. Wer weiß, wie lange wir vor dem Dom warten müssen!«, erklärte er kauend.
    Guillaume betrachtete den Jungen, der kaum älter als Williamsein konnte. Mit hängendem Kopf stand er am Rand der Gasse. Sein Fuß war nicht verkrüppelt wie der seines Sohnes, doch sein Körper war so ausgezehrt, dass Guillaume ihm kurzerhand die Kümmelstange schenkte und eine Münze noch dazu. Der erstaunte, fast argwöhnische Blick des Jungen traf Guillaume bis ins Mark. »Iss, mein Junge«, forderte er ihn freundlich auf, dann wandte er sich ab und folgte Jacques, den die Menge bereits weitergeschoben hatte.
    Immer heftiger drängten die Gläubigen auf den Dom zu. Obwohl es noch früh war, hatte sich bereits eine lange Schlange vor dem Portal gebildet. Guillaume erkannte einige Wartende vom Vorabend wieder. Sie sahen aus, als hätten sie auf dem Vorplatz des Doms übernachtet, um am Morgen zu den Ersten zu gehören, die eingelassen wurden. Jacques hatte sich bereits eingereiht und winkte ihn herbei.
    Kinder mit Wassereimern liefen zwischen den Gläubigen umher und boten die Kelle Wasser für eine Kupfermünze an.
    Marktfrauen verkauften süßes und herzhaftes Gebäck, denn es konnte eine halbe Ewigkeit dauern, bis man von den kräftigen Laienbrüdern am Eingang in den Dom gelassen wurde. Dennoch kauften nur wenige. Die meisten Wartenden verbrachten ihre Zeit mit dem Murmeln von Gebeten. Ein wenig Entsagung kann nicht schaden, dachte Guillaume zufrieden und ignorierte darum das Knurren seines Magens. Das Gemurmel der Wartenden war wie das Summen in einem Bienenstock und so ansteckend, dass sogar Jacques plötzlich anfing zu beten.
    Zu viele Gläubige wollten in den Dom eingelassen werden. Darum wurde der Fluss in das Gotteshaus hinein von dem abhängig gemacht, der nach draußen strömte. Manchmal stand die Warteschlange ewig still, dann wieder ging es ein gutes Stück voran.
    Guillaume und Jacques wurden mit einem ganzen Schwall von Gläubigen in das Innere des Doms gespült.
    Obwohl er schon viele Kirchen gesehen hatte, war Guillaume ergriffen von der erhabenen Ausstrahlung des gut dreihundertJahre alten Gebäudes. Hier schien Gott in jedem Winkel anwesend zu sein. Das Gemurmel der Gebete hallte ihnen entgegen, schwoll hin und wieder an, als sprächen alle Gläubigen dieselben Worte gleichzeitig, und wurde dann wieder leiser und demütiger.
    In der Schlange vor dem Dreikönigschrein beteten die Pilger noch inbrünstiger. Wer den enttäuschend unscheinbar aussehenden Schrein mit den Gebeinen der Heiligen Drei Könige endlich erreicht hatte, fiel davor auf die Knie, flehte um Vergebung und preiste den Herrn.
    »Jeden Tag geschehen Wunder!«, hörte Guillaume vor sich eine Frau ausrufen. »Wer bereut, der wird erhört werden.«
    Guillaume senkte den Kopf und wollte erneut die wenigen Gebete wiederholen, die er kannte: das Ave-Maria und das Vaterunser.
    »Wollt Ihr hier Wurzeln schlagen?«, schimpfte eine Frau hinter ihm und schubste ihn, damit er weiterging. »Ich will meine Sünden beichten, heute noch!«, knurrte sie.
    Jacques war bereits am Schrein angelangt, darum klaffte nun eine Lücke in der Schlange der Wartenden. Wütend fuhr Guillaume zu der Frau herum, besann sich jedoch des Ortes, an dem er sich befand, drehte sich wieder um und schloss auf. Jacques hatte seine Einkehr vor dem Schrein schon nach kürzester Zeit beendet, einen Beutel mit Geld dort abgelegt und sich, nicht weit entfernt, an eine Kirchenwand gelehnt, um auf Guillaume zu warten, der nun am Fuß des Schreins auf die Knie fiel und das bunt bestickte Tuch küsste, das die Lade bedeckte.
    Ich habe sie geliebt, Herr, von ganzem Herzen!, begann er sein stummes Zwiegespräch mit Gott ein wenig unbeholfen. Ich flehe dich

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