Der goldene Thron
hatte er verdient, was ihm zugestoßen war. Statt die Enttäuschung zu verstehen, die sein Herr über Guillaumes vermeintlichen Verrat empfunden haben musste, war er empört und beleidigt fortgelaufen. Für den jungen König musste das wie ein Eingeständnis seiner Schuld ausgesehen haben, ganz so, wie Baudouin es vorausgesagt hatte. Doch bei allem Unrecht, das geschehen war, es ging nicht um ihn, Guillaume le Maréchal. Es ging um England, um den König und um die Zukunft des Reiches.
Fest entschlossen, den jungen Henry zu finden und ihn um Vergebung zu bitten, verabschiedete er sich von Jacques und machte sich auf den Weg.
»Maréchal!«, rief ihm jemand am Nachmittag des folgenden Tages nach und wedelte aufgeregt mit dem Arm.
Guillaume runzelte die Stirn. Erst als sich der Reiter näherte, erkannte er Sir Raoul, den Sohn von Godefroi, dem Kammerherrn des jungen Königs.
»Welch glückliche Fügung des Schicksals! Ich bin seit Wochen auf der Suche nach Euch! Der junge König schickt mich!« Sir Raoul rang nach Luft. »Er bittet Euch inständig zurückzukehren. Er vermisst Euch und braucht Eure Hilfe.«
Guillaumes Herz klopfte wild. Er musste sich räuspern, um antworten zu können. »Meine Hilfe?«, fragte er. Sollte die Alte in Köln recht mit ihrer Weissagung gehabt haben? Führte derWeg, den er gewählt hatte, ihn tatsächlich zurück zum jungen König? »Gibt es denn Schwierigkeiten?«, erkundigte er sich.
Der junge Mann nickte heftig. Dann griff er unter seinen Mantel und zog einen Brief hervor. »Ehe ich es vergesse, Maréchal, Sir Baudouin de Béthune bat mich, Euch dieses Schreiben zu übergeben.«
Guillaume steckte es ein, ohne auch nur einen Blick darauf zu werfen. Er war des Lesens nach wie vor nicht mächtig und würde sich darum noch eine Weile gedulden müssen, bis er erfuhr, was der Freund ihm zu berichten hatte. Auch wenn Sir Raoul gewiss ein vertrauenswürdiger Mann war, so wollte Guillaume doch lieber jemand anderen bitten, ihm den Inhalt vorzulesen. »So berichtet mir denn, Sir Raoul, was geschehen ist«, forderte er den jungen Mann auf.
»Zu Weihnachten in Caen …«, Sir Raoul brach kurz ab und hüstelte verlegen.
»Ja?«, forderte Guillaume ihn auf fortzufahren.
»Der König hat in Caen erstmals eine Rangfolge unter seinen Söhnen geschaffen und unseren Herrn endlich zum künftigen Herrscher über das Reich erklärt. Als Gegenleistung befahl er Henry, Aquitanien Richard zu überlassen, wofür der ihm wiederum den Treueeid schwören sollte. Henry hat getan, was sein Vater gefordert hat. Richard aber weigert sich standhaft, den Eid zu leisten. Keiner von ihnen dürfe über dem anderen stehen, da sie doch alle vom selben Fleisch seien, sagt er!« Raoul schüttelte empört den Kopf. »Immerhin hat er nicht infrage gestellt, dass Henry als der Ältere einmal das Erbe des Vaters antreten soll. Was jedoch die Güter ihrer Mutter betrifft, so fordert Richard, als gleichberechtigter Erbe behandelt zu werden. Henry, Geoffrey und der alte König haben sich gemeinsam gegen Richard gestellt, weil der nichts Besseres zu tun hatte, als gleich nach Caen damit zu beginnen, seine Burgen und Städte zu befestigen.«
Guillaume schüttelte den Kopf. »Das dürfte weder seinem Bruder noch seinem Vater gefallen haben.«
Sir Raoul nickte. »Unser Herr hat umgehend eine Armee gegenRichard aufgestellt. Philippe von Frankreich hat ihn unterstützt und ebenfalls Truppen nach Aquitanien entsandt.«
Guillaume strich sich mit der Hand über das Kinn. Das klang in der Tat nach beträchtlichem Ärger. Der junge König hatte schon seit Längerem ein Auge auf Aquitanien geworfen. Und da sich Richard in den letzten Jahren mit eiserner Hand hatte behaupten müssen, um die aufständischen Barone unter Kontrolle zu halten, hofften vermutlich einige von ihnen, mit dem jungen König einen weniger entschlossenen Herrn zu bekommen. Sicher hatten sie ihn darum auch zu einem Angriff ermutigt. Das aber behagte wohl Henry II. nicht gerade.
»Lasst mich raten. Der Alte hat die Seiten gewechselt und unterstützt nun Richard.« Guillaume sah den jungen Ritter fragend an.
Sir Raoul nickte. »Unser Herr braucht Euch, Maréchal, Euren Rat, Eure Weisheit und Eure militärische Erfahrung.« Er kratzte sich verlegen am Kopf. »Darum bittet er Euch, in aller Freundschaft zu ihm zurückzukehren.«
In aller Freundschaft … Guillaume nickte nachdenklich. Nun, da er mich braucht, spricht er wieder von Freundschaft, dachte er und
Weitere Kostenlose Bücher