Der goldene Thron
war der achtzehnte Tag des elften Monats, und der Winter wollte bereits Einzug halten.
Henry II. nickte. »Die Kälte fürchte ich nicht, aber Philippe ist ein eitler Mann, den teure Kleider beeindrucken können.«
»Ich bin fertig, Sire.« Der Bader erhob sich und verneigte sich tief. Vermutlich war er froh, dem König keine Verletzung beigebracht zu haben, die ihn den Kopf kosten konnte, denn er hatte trotz der Kälte im Raum geschwitzt.
Der König sah sich kurz um, und sofort war ein Diener zur Stelle, der den Mann entlohnte und entließ. »Hilf mir mit den Beinlingen«, befahl Henry und ließ sich die goldbestickten Kleider anlegen, die er nur selten trug, weil er einfaches, festes Tuch bevorzugte.
Als er wenig später auf das Zelt zuging, vor dem ihn sein Sohn und der König von Frankreich erwarteten, war ihm anzusehen, dass seine Füße noch immer schmerzten. Schlimmer jedoch musste das Leid sein, das Richard ihm zufügte, denn er war gemeinsam mit Philippe zum verabredeten Treffpunkt gekommen und hatte so zum zweiten Mal in aller Öffentlichkeit seine Verbundenheit mit dem Franzosen demonstriert.
Guillaume hielt es für seine Pflicht, seinem Herrn nicht einen Augenblick von der Seite zu weichen, und beobachtete sowohl diesen als auch Richard und den französischen König aufmerksam.
Philippe bemühte sich um ein teilnahmsloses Gesicht, doch Guillaume entging das Leuchten nicht, das in seinen Augen aufblitzte, als Henry seinen Sohn nur frostig begrüßte.
Die beiden Könige setzten sich an den Tisch, der in dem Zelt aufgestellt worden war, und die Verhandlungen begannen. Zunächst ließen beide Seiten durch ihre Schreiber eine Reihe von Vorhaltungen und Forderungen vortragen, bei denen es in der Tat um einen Friedensschluss ging. Doch der Ton, den die Kontrahenten anschlugen, änderte sich schon bald. Henry, Richard und Philippe stritten immer lauter und erzielten auch nach zwei Verhandlungstagen noch immer keine Einigung.
»Ich fordere Euch auf, all Euren Vasallen auf dem Festland zu befehlen, Richard den Lehnseid zu schwören«, schürte Philippe zu Beginn des dritten Tages die hitzigen Verhandlungen.
Als Henry nur empört schnaubte und verständnislos den Kopf schüttelte, verlor Richard die Geduld und sprang auf. »Sagt nun freiheraus, Vater, seid Ihr bereit, mich als Euren Thronerben anzuerkennen?«
Er sah den König erwartungsvoll an. Etwas beinahe Kindliches lag in diesem Blick, ganz so, als wollte er sagen: Sprecht, Vater, liebt Ihr mich?
Guillaume hielt den Atem an und harrte bang der Antwort des Königs. Doch genau wie zuvor auf seine Frage, ob er womöglich John als seinen Erben vorgesehen hätte, blieb Henry sie auch diesmal schuldig. Alle Blicke waren auf ihn gerichtet. Er aber schwieg.
»Nun, dann muss ich endlich glauben, was ich bisher für unmöglich hielt!«, rief Richard zutiefst enttäuscht aus, wandte sich dem französischen König zu, sank vor ihm auf die Knie und beugte das Haupt. »Mylord, ich, Richard, Sohn von Henry, huldige Euch für alle angevinischen Besitzungen auf dem Festlandund die Gebiete, die ich in der Grafschaft Toulouse erobert habe, und bitte Euch, mich als den Thronfolger Englands anzuerkennen.«
Fassungslos sah Guillaume von Richard zu Henry. Mit einem solchen Affront hatte niemand gerechnet, weder er selbst noch der König! Konnte es wirklich angehen, dass Richard sich selbst zum Thronfolger erklärte? Mit der Anerkennung Richards durch den französischen König war Henry II. mit einem Mal nicht mehr Herr der Lage. Die wichtigste Entscheidung seines Reiches war über seinen Kopf hinweg getroffen worden, nur weil er zu lange gezögert hatte, sich eindeutig zu äußern.
»Bitte unterzeichnet noch den Waffenstillstand, über den wir vorhin sprachen!«, drängte Guillaume, als der König aufsprang, und schob ihm die Vereinbarung zu, die in der Zwischenzeit von den Schreibern aufgesetzt worden war.
Der König setzte seine Unterschrift wortlos auf das Pergament, verließ das Zelt, bestieg sein Pferd und sprengte davon.
Über das Weihnachtsfest, das Henry II. in Saumur verbrachte, erkrankte er und war im Januar, als die neuen Verhandlungen aufgenommen werden sollten, so schwach, dass er sich kaum von seinem Lager erheben konnte.
»Lasst ein Schreiben an meinen Sohn aufsetzen, das meinen Gesundheitszustand erklärt.« Der König atmete schwer. Fieber schüttelte seinen Körper. »Der Erzbischof von Canterbury soll um Aufschub bitten und Richard in aller
Weitere Kostenlose Bücher