Der goldene Thron
und seine Geschwister sanner nach, über Gildwin und darüber, wie es ihm wohl in seinem neuen Leben gefiel, über Kampfübungen, die er noch nicht beherrschte, und über seine Zukunft, die er sich gern in den wunderbarsten Farben ausmalte. Außerdem mochte er es, wenn die Alte ihm mit ihrer runzligen, erstaunlich weichen Hand dankbar über die Wange fuhr, bedächtig mit dem schlohweißen Kopf nickte und sagte:
»Der Herr wird es dir vergelten!«
Da Gildwin das ebenfalls behauptet hatte, stimmte es vielleicht. Wenn man vorhatte, ein Leben als Soldat zu führen und in den Krieg zu ziehen, konnte es gewiss nicht schaden, einen guten Eindruck beim Allmächtigen zu machen.
Guillaume begann, sich nach geeigneten Ästen zu bücken, und als er genügend Holz beisammenhatte, ließ er es am Fuß eines Baumes aufgeschichtet liegen, um noch ein wenig durch den Wald zu streifen.
Fast eineinhalb Jahre war er inzwischen Knappe. Seine Schultern waren breiter geworden und auch seine Oberschenkel um einiges kräftiger. Außerdem war er mächtig gewachsen, eine gute Handbreit, so schätzte er stolz. Guillaume wackelte mit den Zehen und sah auf seine Füße hinab. Auch sie mussten länger geworden sein, denn seine Stiefel wurden zu klein.
Er begann, über den unebenen, feuchten Waldboden zu laufen. Die verfaulten Blätter des vergangenen Herbstes waren so glitschig, dass er immer wieder darauf ausglitt. Fest entschlossen, sich nicht aus der Fassung bringen zu lassen, lief er weiter, bis das Stechen in seinem rechten großen Zeh immer stärker wurde. Das Leder seiner Stiefel war bereits arg in Mitleidenschaft gezogen. An der Fußinnenseite klaffte ein Loch in der Naht, sodass ein Stück seines Beinlings herauslugte. Der Kammerherr würde darum sicher nicht allzu ungehalten sein, wenn er ihn nach neuem Schuhwerk fragte.
Unsicher, ob er weiterlaufen sollte, blieb Guillaume stehen. Der melodiöse Gesang zweier Amseln war zu hören. Konkurrenten auf der Suche nach einem Weibchen, dachte er. Obwohldie Märzluft noch kühl und ein wenig feucht war, konnte man den nahenden Frühling schon deutlich spüren. Der Duft der Erde kündigte ihn ebenso an wie das Licht der Sonne, das mit jedem Tag ein wenig intensiver wurde. Die meisten Bäume und Sträucher waren noch kahl, doch hier und da bewiesen die ersten flauschigen Weidenkätzchen und winzige Knospen, dass Leben in den dürren Ästen steckte. Im Unterholz waren Dachse und Igel auf Freiersfüßen unterwegs, und auf den Stängeln der Schneeglöckchen krabbelten schon wieder Marienkäfer herum. Nicht mehr lange, und die herrlich duftenden Märzveilchen würden Verstärkung von den ebenfalls blauen Hasenglöckchen bekommen.
Guillaume sog die frische Luft genießerisch ein. Sollte er zurückgehen oder weiterlaufen? Noch bevor er sich entschieden hatte, fiel ihm durch die Äste der winterkahlen Büsche hindurch ein Mann auf, der kerzengerade auf einer kleinen Lichtung stand. Neugierig schlich Guillaume näher. Der Mann schien sich unbeobachtet und sicher zu fühlen. Er stellte sich in Kampfhaltung auf, ganz so, wie es auf dem Übungsplatz üblich war, und verbeugte sich vor zwei eindeutig nicht vorhandenen Gegnern, dann ging er in Angriffsstellung.
Da er ein Schwert in der Hand hielt, musste es wohl einer der Ritter sein. Guillaume fuhr sich nachdenklich über das Kinn. Größe und Statur nach zu urteilen, handelte es sich jedoch eher um einen Jungen als um einen Mann, außerdem war die Übung, die er ausführte, eine der Angriffstaktiken, die Ours seit dem Winter immer wieder mit den Knappen trainierte. Neugierig pirschte sich Guillaume näher heran.
»Alan«, murmelte er, als er den Schmiedejungen erkannte. Seit jenem Tag auf dem Übungsplatz hatte er ihn kaum noch gesehen, dabei hatte er sogar hin und wieder Ausschau nach ihm gehalten. Doch Alan hatte nur ganz selten noch auf dem Strohballen gesessen. Trotzdem musste er den Knappen auch weiterhin zugeschaut haben, denn er machte keine schlechte Figur, wie er so mit dem Schwert in der Hand dastand. Entschlossenheit strahlteer aus und eine solche Leidenschaft für den Schwertkampf, dass Guillaume nicht anders konnte, als ihn weiter zu beobachten. An seinen Bewegungen war zu sehen, dass er verstanden hatte, worauf es bei dieser Übung ankam. Guillaume lächelte. Wäre er als Sohn eines hohen Herrn geboren, so hätte er gewiss einen tüchtigen Schwertkämpfer abgegeben, vielleicht sogar einen ernst zu nehmenden Gegner, doch er war nur ein
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