Der goldene Thron
ein Käfer auf seine Hand kletterte und seine Kleider kalt an seinem Körper klebten, dann überkam ihn Schwindel, und ein schwarzer Kranz umtanzte seinen Blick. Im letzten Moment gelang es ihm, einen Stein zu packen. Er schlug damit um sich, bis der Griff um seinen Hals erschlaffte. Röchelnd wandte er sich um. Bernard lag reglos am Boden.
»Bernard!« Guillaume knuffte ihn. »Bernard, komm zu dir!« Eine Hitzewelle erfasste ihn. Ob er ihn erschlagen hatte? Guillaume sprang auf und blickte sich gehetzt um. Es sah nicht so aus, als hätte sie jemand beobachtet. Was, wenn er nun zurücklief und behauptete, Bernard nicht gefunden zu haben? Dass seine Kleider schmutzig waren, könnte er mit einem Sturz erklären, dann würde niemand Verdacht schöpfen. Sein rechter Oberschenkel zuckte, als wollte er sagen: Na los, worauf wartest du noch? Lauf!
Guillaume war noch nicht weit, als er wieder in der Lage war, einen klaren Gedanken zu fassen. Er konnte Bernard doch unmöglich im Wald liegen lassen! Sicher war er gar nicht tot, sondern nur bewusstlos, so wie Gildwin damals. Aber selbst wenn er ihn erschlagen hatte, würde er dazu stehen müssen. Immerhin hatte er sich nur verteidigt und Bernard nicht von sich aus angegriffen. Guillaume hielt an und sah sich um. Er musste zurück zu der Stelle, an der er Bernard liegen gelassen hatte. Doch auf seiner Flucht hatte er nicht mehr auf die Richtung geachtet!
Keuchend betrachtete er nun jeden einzelnen Baum. Dort hinten, das musste die Lichtung sein, auf der sie sich geprügelt hatten. Erleichtert lief er darauf zu. »Bernard!«, rief er und verstummte, als weit und breit niemand zu sehen war. Ein ungewohntes Gefühl der Schwäche ergriff seine Beine, von der Hüfte ausgehend bis zu den Knien. »Bernard!«, schrie er und sah sich noch einmal um. Nein, das war nicht die Lichtung, auf der sie gekämpft hatten. Guillaume drehte sich immer wieder um sich selbst. Wo aber war sie?
Ruhig, beschwor er sich, atmete tief ein und suchte jeden Baum und jeden Strauch nach Spuren ab. An ein paar abgeknickten Ästenerkannte er schließlich, aus welcher Richtung er gekommen war, und lief los.
Er hatte die Stelle, an der er Bernard zurückgelassen hatte, schon beinahe erreicht, als sich Hundegebell, laute Stimmen und das Stampfen von Pferdehufen näherten.
»Guillaume!«, hörte er Adam rufen, der den Herrn zu Pferd hatte begleiten dürfen und nun heransprengte. »Was tust du hier? Tancarville ist furchtbar wütend auf dich!« Er reichte Guillaume die Hand, um ihn zu sich in den Sattel zu ziehen. »Wir sind Bernard begegnet. Er sagt, du hättest die anderen im Stich gelassen. Ist das wahr?«
»Ich?« Guillaume knurrte empört und fasste sich. »Er ist fortgelaufen, und ich bin ihm nachgegangen, um ihn zurückzuholen!«
»Mich musst du nicht überzeugen, Guillaume.« Adam zuckte mit den Schultern. »Tancarville musst du es sagen. Schätze, du wirst tüchtigen Ärger mit ihm bekommen.«
März 1164
T ancarville hatte Guillaume keines Blickes gewürdigt und ihm erst verziehen, als Enguerrand ihm ausführlich erzählt hatte, was im Wald geschehen war. Bernard war für seine Lüge bestraft worden und seitdem noch schlechter auf Guillaume zu sprechen als zuvor. Ihn tatkräftig anzugreifen aber wagte er nicht mehr.
Da Ausdauer, Kraft und Schnelligkeit zu den wichtigsten Eigenschaften eines guten Kämpfers gehörten, Ours ihn jedoch seit der Sache mit Adam nicht mehr mit zusätzlichen Kniebeugen, Liegestützen und Laufrunden bedachte, hatte Guillaume beschlossen, diese aus freien Stücken zu machen, wenn er sich unbeobachtet wähnte. Sooft er konnte, lief er darum sonntags in ein lichtes Waldstück in der Nähe der Burg, um zu üben. Immer wieder ging er bis an seine Grenzen und manchmal auch darüber hinaus.
Neben den Übungen sammelte er für gewöhnlich auch Brennholz im Wald und brachte es einer alten Witwe, die am Dorfrand wohnte. Das Mütterchen war krumm vom Alter und zu schwach, das Holz selbst nach Hause zu tragen. Gildwin war seinerzeit für sie in den Wald gegangen, doch nach dem Unfall war er nicht mehr dazu in der Lage gewesen. »Bitte, es ist ein gutes Werk«, hatte er Guillaume beschworen, »geh du an meiner Stelle. Der Herr sieht es und wird es dir vergelten.«
Guillaume hatte sich zu schuldig gefühlt, um Gildwin die Bitte abzuschlagen, und sich schließlich daran gewöhnt, beim Holzsammeln über Dinge nachzudenken, die ihn beschäftigten. Über seine Heimat England, seine Mutter
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