Der goldene Thron
»Außerdem werdet Ihr sie gewiss häufig besuchen kommen, nicht wahr? Im gestreckten Galoppist es weniger als ein Tagesritt von Aumale nach St. Vaast. Es ist also eine doppelte Freude für uns, das Kind bei uns aufzunehmen, denn so können wir sicher sein, auch Euch wieder häufiger zu Gesicht zu bekommen!« Isabelle lächelte gewinnend.
»Ich könnte mir keinen besseren Ort für Alice vorstellen als in Eurem Haus, Mylady!«
Baudouin verneigte sich leicht.
»Der König wünscht, Euch zu sprechen«, flüsterte ihm ein älterer Ritter zu.
»Ihr entschuldigt mich? Wir sehen uns später«, empfahl sich Baudouin, nickte kurz und folgte dem Ruf seines Königs.
Wenige Tage später zogen sie gemeinsam nach Südosten, um von dort aus auf das Festland überzusetzen. Während Baudouin nach ihrer Ankunft in Dieppe umgehend nach Aumale zog, brachte Guillaume Isabelle und die Kinder nach St.-Vaast-d’Equiqueville, wo sie vorläufig in Sicherheit waren. Dann zog er mit William Longespée, dem geliebten Halbbruder des Königs, und dem Earl of Surrey, der ebenfalls beachtlichen Landbesitz in der Normandie hatte, weiter nach Orbec. Longespée war seit einiger Zeit mit Guillaumes Base vermählt und nach dem Tod ihres Bruders der neue Earl of Salisbury geworden. Guillaume mochte ihn, weil er Ähnlichkeit mit dem jungen Henry hatte. Er war ein sorgloser, lebensfroher Mensch mit großer Ausstrahlung. Ein Spieler wohl, dessen Schulden John hin und wieder beglich, doch auch ein Mann mit Feuer und Leidenschaft.
Anglesqueville, in der Nähe
von Longueville, August 1202
F ünfzehen Monate waren vergangen, seit Guillaume in die Normandie zurückgekehrt war, und genau zwei Jahre, seit John sich mit Isabelle d’Angoulême vermählt und sie zu seiner Königin gemacht hatte. Im ersten Jahr nach ihrer Entführung hatten sich die Lusignans erstaunlich ruhig verhalten. Sie hatten wohl noch eine ganze Weile mit einer Kompensation für den Verlust gerechnet, doch ihre Hoffnung war vergeblich gewesen. Nicht einen Augenblick hatte der König daran gedacht, einem Besiegten – und als solchen hatte er le Brun empfunden – die Hand zu reichen.
Im Gegenteil. John hatte die Warnungen seiner Berater bedenkenlos in den Wind geschlagen und eines Tages, ohne jede Erklärung, die Teile von La Marche einziehen lassen, die er den Lusignans einst gegeben hatte. Empört darüber, dass sich der König über die Gesetze seines Reiches hinwegsetzte, hatten sie sich an ihren gemeinsamen Lehnsherrn, den französischen König, gewandt und ihn gebeten, einen ordentlichen Prozess von John zu fordern. Doch John hatte sich dreimal in Folge der Anordnung des Franzosen entzogen und damit sowohl diesen als auch die Lusignans mit seiner beharrlichen Weigerung, geltendes Recht zu praktizieren, herausgefordert. Guillaume hatte sich zu Beginn des Konfliktes in der Entourage seines Herrn befunden und mit Engelszungen versucht, ihn zum Einlenken zu bewegen, doch es war ihm nicht gelungen. Der König hatte die Angelegenheit für nicht mehr als eine Art Spiel gehalten, bei dem er nicht zu verlieren gedachte. Darum war Guillaume froh gewesen, nicht längermit ansehen zu müssen, wie John sich immer stärker ins Unrecht setzte, und dankbar, wieder in die Normandie geschickt zu werden, um dort für Sicherheit zu sorgen. Dies schien ihm in Anbetracht der schwierigen Lage eine nützlichere Aufgabe zu sein, als mit dem König Schach zu spielen, wenn der sich langweilte, oder mit ansehen zu müssen, wie er sich neue Feinde machte.
So kam es, dass Guillaume erst mit einiger Verspätung erfuhr, wie es weitergegangen war.
»Der französische König hat John zum Gesetzlosen erklärt und ihm Aquitanien, Poitou und Anjou entzogen«, berichtete ihm der Mönch, den der König ihm als Boten geschickt hatte, voller Entrüstung. »Philippe hat Arthur zum Ritter geschlagen und ihm seine Tochter Marie zur Frau versprochen, bevor er ihn zum Erben von Johns Ländereien erklärt hat. Mit Ausnahme der Normandie wohlgemerkt, die scheint er für sich behalten zu wollen. Auf jeden Fall ist Arthur – wohl auf seine Anweisung – mit den Poitevinern Richtung Loiretal gezogen. Unsere geliebte Königin, Eleonore von Aquitanien, fürchtete, gefangen genommen zu werden, flüchtete nach Mirebeau und ließ ihrem Sohn eine Nachricht zukommen, dass sie belagert werde und seiner Hilfe bedürfe.«
Guillaume schüttelte kaum merklich den Kopf. Der König hatte in der ersten Zeit seiner Herrschaft mehr
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