Der goldene Thron
verglich. Ob sie ihn glücklicher gemacht hatte? Isabelle brach in Tränen aus und schluchzte.
Guillaume umarmte sie und hielt sie fest.
Niemals würde sie ihn mit jemandem teilen! Seine kräftigen Arme, die trotz seines Alters noch immer Schutz verhießen, durften nur sie halten, sie und die Kinder. Ihre Kinder.
Isabelle rief sich Williams Gesicht ins Gedächtnis. Seine leuchtend grünen Augen waren ihr zuerst aufgefallen. Und sie hatte sie gemocht. Die Augen und den jungen Mann. Sie hatte sich gefreut für Marguerite, weil er ein guter Mensch zu sein schien. Er muss die grünen Augen von seiner Mutter haben, denn Guillaumes Augen sind blau, dachte sie. Die Erkenntnis, wie sehr er seinem Vater trotzdem ähnelte, traf sie unerwartet hart. William of Roford war Guillaumes Sohn, daran gab es keinerlei Zweifel. Wieder entwich ihrer Brust ein verzweifeltes Schluchzen. Beijedem ihrer Kinder hatte sie nach Ähnlichkeiten mit Guillaume gesucht und war stets überglücklich gewesen, wenn sie Übereinstimmungen im Aussehen oder im Wesen entdeckt hatte. Schreckliche Wut und bittere Enttäuschung überschwemmten ihr Herz. Wie hatte er sie nur so schändlich belügen können?
»Wann?«, presste sie hervor und stieß ihn von sich. »Wann hast du sie zum letzten Mal gesehen?«
Guillaume zuckte mit den Schultern. »Ist zu lange her, als dass ich mich genau erinnern könnte«, murmelte er. »Viele Jahre.«
Wenn er nicht weiß, wann er sie zum letzten Mal gesehen hat, dann hat es ihm vielleicht doch nicht so viel bedeutet, versuchte Isabelle, sich zu trösten. Oder er lügt dich an!, fispelte eine garstige Stimme. Vielleicht sieht er die Schmiedin häufiger, als du denkst. Immerhin ist er oft monatelang allein unterwegs! Isabelle wollte den Wolf der Eifersucht nicht an ihrem Herzen laben, und doch schien er sich bereits so fest darin verbissen zu haben, dass es ihr nicht mehr gelang, ihn abzuschütteln.
»Ich liebe dich, Isabelle, dich und unsere Kinder. Aber ich wäre ein schlechter Vater und ein jämmerlicher Mensch, wenn ich nicht auch William lieben würde.«
Isabelle wusste, dass er recht hatte, doch Liebe kannte keine Vernunft und Eifersucht keine guten Gründe. »Es tut so schrecklich weh!«, schluchzte sie.
Guillaume nahm sie erneut in den Arm.
Isabelle fand nicht die Kraft, sich gegen ihn zu wehren. Sie brauchte ihn zu sehr. Sie liebte und begehrte ihn und wollte nicht einen Tag ohne ihn leben müssen.
Guillaume zog ihr Kinn hoch und sah sie an. Der Blick seiner blauen Augen drang so tief in ihre Seele, dass Isabelle die Knie zu versagen drohten.
»Ich will mit dir alt werden. Jeder Morgen, an dem ich an deiner Seite erwache, ist ein Geschenk des Himmels. Dein Lächeln und das Strahlen in deinen Augen machen mich unendlich glücklich. Und die Enttäuschung in deinem Blick zerreißt mir das Herz. Unser Ältester wird einmal meinen Titel tragen undmeine Ländereien erben, nicht William. Du hast nichts zu befürchten; weder du noch die Kinder werdet etwas einbüßen, das verspreche ich.«
Isabelle wollte ihm Glauben schenken, es dürstete sie geradezu nach Trost und beschwichtigenden Worten aus seinem Mund. Sie sah ihn durch den dichten Tränenschleier an, der ihre Sicht trübte, trotzdem schien ihr Guillaume der schönste Mann zu sein, den sie je gesehen hatte. Sein Haar war inzwischen völlig ergraut. Wie Silber glänzte es und gab ihm etwas Würdiges.
»Ich habe Ellen geliebt«, gestand er.
Isabelle stöhnte auf. Warum musste er noch einmal mitten in ihr Herz stechen? Hatte er ihr nicht schon genug Schmerz zugefügt?
»Doch ich habe sie nicht mehr geliebt als dich, das schwöre ich bei allen Heiligen und auf das Leben all meiner Kinder.« Guillaume sah sie eindringlich an.
Wie gern wollte Isabelle ihm glauben! Vielleicht hast du sie nicht mehr geliebt, aber wohl auch nicht weniger, dachte sie, noch immer zutiefst verletzt, ohne jedoch die Kraft zu finden, ihre Zweifel weiter zu äußern.
* * *
Guillaume bemühte sich in den folgenden Tagen besonders um Isabelle. Er hatte sie nicht verletzen wollen. Aber das war nicht der einzige Grund gewesen, warum er so lange geschwiegen hatte. Ellen und William waren Teil seiner Jugend, Teil eines anderen Lebens, das er unbeschwert in Erinnerung hatte behalten wollen. Wie hätte er mit Isabelle über seine Liebe zu Ellen sprechen können, wusste er doch selbst nicht, was er noch für sie empfand.
An seiner Liebe für Isabelle hingegen zweifelte er keinen
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