Der goldene Thron
Augenblick.
Konnte man zwei Menschen gleich stark lieben? Und dabei jeden der beiden auf eine andere Weise? Diese Fragen hatte er sich immer wieder gestellt und war zu dem Schluss gekommen, dass es wohl möglich sein musste. Isabelle aber hätte das nichtverstanden. Conalls Hingabe hatte ihr zwar geschmeichelt, das hatte er ihr angesehen, doch sie war niemals schwach geworden. Vielleicht hätte sie verstanden, wenn sie ihn geliebt und sich nach seiner Nähe verzehrt hätte. Doch Isabelle hatte niemals einen anderen geliebt als ihn. Darum hätte sie Ellen nur als Nebenbuhlerin angesehen und sie sowie William gehasst. Sie hätte Guillaume mit ihrer Eifersucht die Ehe zur Hölle gemacht, obwohl er sie doch voller Hingabe liebte.
Auch übte er keinen Verrat an Ellen, wenn er behauptete, sie nicht mehr geliebt zu haben als Isabelle, denn es war die Wahrheit. Isabelle bedeutete ihm alles. Sie war die Frau, mit der er sein Leben verbringen wollte, solange es noch währte. Sie hatte ihm wundervolle Nächte voller Liebe und Leidenschaft geschenkt, dazu stattliche Söhne, reizende Töchter und ihr Herz, das allein ihm gehörte. Ein wenig hatte ihm ihre Eifersucht sogar geschmeichelt. Mehr als die begehrlichen Blicke, die ihm so manches Weib, ob Hure oder Lady, in seinem Leben zugeworfen hatte. Alles mochte man ihm vorwerfen, nur Untreue nicht. Er hatte keinen seiner Herren je betrogen, und auch Isabelle hatte er nie hintergangen.
Er liebte sie von ganzem Herzen, darum kämpfte er mit aller Macht, um ihr Vertrauen und ihre Liebe wiederzugewinnen.
So glätteten sich mit der Zeit die Wogen, und nicht lange nach ihrer Versöhnungsnacht erfuhr er, dass Isabelle zum neunten Mal froher Hoffnung war.
Normandie im Mai 1204
W ein?« Guillaume deutete auf einen Becher auf dem Tisch und ließ sich in seinen Sessel fallen.
Robert of Leicester grinste und streckte sich. »Das fragst du noch, mein Freund?«
Guillaumes Page eilte sofort herbei, füllte einen Becher und reichte ihn dem Earl of Leicester.
»Hilf mir aus den Stiefeln, Junge!«, befahl Sir Robert und stöhnte erleichtert, als er von dem Schuhwerk befreit war. Er ließ die Füße kreisen, streckte sie dem Feuer entgegen und bewegte die Zehen. Es hatte den ganzen Tag geregnet, und das feuchte Leder konnte einem leicht die Füße wund reiben.
Guillaume nahm etwas Wein, verschluckte sich und hustete. »Bring uns Wasser und Honig!«, rief er dem Pagen zu und schnappte nach Luft. »Der Wein schmeckt wie Essig!« Guillaume starrte in den Becher. Hoffentlich war er, einmal verdünnt, noch stark genug, um ihm zu Kopf zu steigen und seine Sorgen weniger düster erscheinen zu lassen!
Ein knappes halbes Jahr war es her, dass sie an der Seite ihres Königs die Normandie verlassen hatten. Nun waren sie zurückgekehrt, um in Johns Auftrag gemeinsam mit dem Erzbischof von Canterbury einen Waffenstillstand mit dem französischen König zu verhandeln.
Doch nichts war so gelaufen wie erhofft, denn Philippe hatte erneut auf die Herausgabe Arthurs bestanden und keinerlei Zugeständnisse machen wollen, solange diese Forderung nicht erfüllt war. Weil sie aber Arthur weder aushändigen noch seinen Tod erklären konnten, waren die Verhandlungen von demFranzosen abgebrochen worden, ohne dass sie etwas erreicht hatten.
Für Guillaume und Robert of Leicester hatte besonders viel von den Verhandlungen abgehangen, denn ihr gesamter Besitz in der Normandie stand auf dem Spiel, seit der Franzose alle Lords aufgefordert hatte, ihm für ihre normannischen Güter den Treueeid zu leisten. Wer dies tat und Philippe somit als Lehnsherrn anerkannte, durfte nicht mehr gegen ihn in den Krieg ziehen, was einem Verrat an John gleichkam. Wer ihn aber nicht leistete, verlor all seine normannischen Ländereien.
Guillaume seufzte. Vor wenigen Jahren hatte er noch mit einem Freund Güter in England gegen für ihn besser liegende Ländereien bei Orbec getauscht. Nun aber sah es so aus, als wäre dies ein Fehler gewesen.
»Was, schlägst du vor, sollen wir tun?«, wollte Robert of Leicester wissen und rückte vom Feuer ab, das ihm Schweißperlen auf die Stirn getrieben hatte. Fast zehn Jahre war es her, dass er sich gegen eine beachtliche Lösegeldsumme aus Philippes Gefangenschaft hatte freikaufen müssen. Auch eine seiner Burgen hatte er damals eingebüßt. Doch diesmal ging es um mehr.
Guillaume schob seinen Becher über den Tisch, als der Page mit Wasser und Honig kam, und sah zu, wie er den Wein verdünnte
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