Der goldene Thron
März noch immer nicht bearbeitet werden konnten, und die Angst vor einer bedrohlichen Knappheit von Lebensmitteln und einer daraus resultierenden Hungersnot wurde täglich größer.
»Maréchal!«
Guillaume schrak hoch. »Verzeiht, Sire, ich war in Gedanken«, entschuldigte er sich, als John ihm einen indignierten Blick zuwarf.
»Langweilt Euch die Zukunft des Reiches?«, fragte der König scharf.
»Gewiss nicht, Mylord. Über nicht weniger als das Reich dachte ich nach. Tag und Nacht beschäftigen mich Eure Sorgen.«
»Nun, das möchte ich meinen, mein guter Maréchal, schließlich habt Ihr eine Menge zu verlieren, nicht wahr?« John klangnoch immer gereizt. »Der Erzbischof von Canterbury bedrängt mich ohne Unterlass.« Er schnaubte.
Daher also wehte der Wind! Kaum jemandem war verborgen geblieben, dass der König den Erzbischof nicht mochte. Vermutlich, weil er ein Freund und Getreuer Richards gewesen war, John aber nicht mehr als Dienstbarkeit entgegenbrachte.
Hubert Walter hatte seine Aufgaben stets zum Besten für England erfüllt, darum gab es keinen Grund, ihm zu misstrauen. John aber brauchte keinen Anlass. Ihm reichte, dass der Erzbischof Macht und Ansehen genoss. Guillaume war nicht entgangen, dass die Rivalität unter den beiden Männern Ausmaße angenommen hatte, die sich als überaus schädlich erweisen konnten. Ob der König wusste, dass der Erzbischof sich zunächst für Arthur auf dem Thron ausgesprochen hatte?
»Ihr, Guillaume, und der Erzbischof von Wells werdet den französischen König aufsuchen und ihm Vorschläge für einen Frieden unterbreiten. Hubert Walter soll vorläufig nichts davon erfahren. Ich bin es leid, dass er ständig versucht, mir Vorschriften zu machen.«
Guillaume hörte genau zu, als John ihm erklärte, was er sich von den Verhandlungen erhoffte.
»Mylord, Ihr wisst, dass Philippe mir Aufschub gewährte, doch das Jahr ist inzwischen so gut wie verstrichen. Er wird den Treueeid von mir fordern.« Einen Augenblick hielt Guillaume den Atem an. John konnte ebenso gut mit Verständnis reagieren wie mit aufbrausender Empörung. Vorhersagen waren so gut wie unmöglich.
»Ihr habt mehr Erfahrung im Umgang mit den Franzosen als jeder andere im Land und seid nicht nur ein großer Ritter und Edelmann, sondern auch berühmt für Eure militärischen Fähigkeiten. Euer Verhandlungsgeschick ist legendär. Ein Nachgeborener seid Ihr nur und seid doch aus eigener Kraft ein bedeutender Mann geworden. Dafür gebührt Euch meine Bewunderung«, sagte John statt einer Antwort.
Guillaume sah ihn erstaunt an. Sollte etwa doch ein Plantagenêt-Herzin dieser Königsbrust stecken? Bisher hatte ihm John eher Mitleid als Achtung eingeflößt. Nicht das rechte Gefühl eines Ritters für seinen König, gewiss. Stolz, Ehrfurcht, Hingabe und Bewunderung waren es, die er für seinen Herrn empfinden sollte, nicht Mitleid. Vielleicht aber machte sich John doch noch!
»Ich weiß, dass Ihr mir stets treu gewesen seid, auch wenn ich Euch ebenso hin und wieder Misstrauen entgegengebracht habe wie allen anderen«, fuhr der König fort. »Ich zweifle nicht daran, dass Ihr mir auch weiterhin die Treue halten werdet. Huldigt dem französischen König also meinetwegen«, brummte er. Dann umarmte er den Maréchal und entließ ihn.
Guillaume war erleichtert, weil sein Plan aufzugehen schien. Die Herzöge von Meulan waren über lange Zeit beiden Königen verpflichtet gewesen, und erst zu Beginn der Herrschaft von Henry II. war eine Vereinbarung getroffen worden, nach der der König von England ihr oberster Lehnsherr war. Auf diese Weise hatten sie für diesen sogar gegen den König von Frankreich kämpfen können, solange sie nur ihre Verpflichtung erfüllten und jenem ebenfalls die von ihm geforderte Anzahl an Rittern für seinen Kampf zur Verfügung stellten. Ein solcher Weg war gewiss nicht der einfachste, doch einer, mit dem Guillaume würde leben können. Vorausgesetzt Philippe stimmte einem solchen Arrangement zu.
Weniger als einen Monat später stießen Guillaume und der Erzbischof von Wells in Compiègne auf den Franzosen und begannen mit ersten Friedensverhandlungen. Philippe hörte sich geduldig die Vorschläge Johns an und erklärte sich schließlich einverstanden, sie acht Tage später in Anet zu erneuten Gesprächen zu empfangen. Die Huldigung des Maréchal aber forderte er umgehend ein. So einfach jedoch, wie Guillaume sich das vorgestellt hatte, machte es ihm der französische König
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