Der goldene Thron
ihm bedeutet hatte, auch ohne Worte. Warum sonst hatte sie bis zum letzten Augenblick auf ihn gewartet und eisern am Leben festgehalten, bis er endlich bei ihr gewesen war? Erst in der Gewissheit, dass er gekommen war, hatte sie losgelassen und ihr Leben in Gottes Hände gelegt.
Mit einem Becher Kräutersud für Ellen betrat Rose die Kammer. Ungläubig sah sie auf den weinenden Guillaume herab.
»Sie ist tot, Rose«, sagte William weich, nahm ihr den Becher ab und umarmte sie tröstend. »Sie hat endlich ihren Frieden gefunden.«
Guillaume erhob sich mühsam und nahm Rose nun seinerseits in den Arm.
»Ich habe ihr nie gesagt, wie dankbar ich für ihr Vertrauen war. Dass Thibault ihr Gewalt angetan hat, war meine Schuld!«, flüsterte Rose ihm weinend ins Ohr. »Er hat sich damit gebrüstet, trotzdem bin ich lange nicht von ihm losgekommen.« Sie seufzte und wurde von einem Weinkrampf geschüttelt.
Thibault hatte Ellen Gewalt angetan? Guillaume empfand den heftigen Drang zu würgen. Er erinnerte sich plötzlich an jenen Augenblick im Zelt, als sie Jean befreit hatten. »Ich habe sie vor dir gehabt«, hatte Thibault ihm hasserfüllt entgegengeschleudert, doch Guillaume hatte ihn für einen Lügner und Angeber gehalten, weil Ellen nie im Leben freiwillig das Lager mit ihm geteilthätte. Nun glaubte Guillaume zu ersticken. Niemals hätte er Ellen in Limoges all diese Lügen erzählt, wenn er davon gewusst hätte! Nie Thibault auch nur ein einziges Mal noch in ihre Nähe gelassen. Er hätte ihn getötet, wenn sie mit nur einem Wort angedeutet hätte, was er ihr angetan hatte.
Guillaume rang verzweifelt nach Atem. Vielleicht hatte sie sich geschämt und darum keine Silbe verlauten lassen. Oder sie hatte geschwiegen, weil sie gewusst hatte, was Guillaume tun würde und dass es ihn alles kosten konnte. Seinen Aufstieg bei Hof, seine Zukunft, vielleicht gar sein Leben. Guillaume drängte sich an Rose vorbei und stürzte nach draußen.
Der Hof lag ruhig und friedlich da, nicht anders als an jenem Tag vor vielen Jahren, an dem er zum ersten Mal hergekommen war. Guillaume musste um jeden Atemzug kämpfen. Die frische Herbstbrise, der blaue Himmel und die wunderschönen farbigen Blätter, die der leichte Wind über den Hof blies, hatten etwas Tröstliches, und doch war der Schmerz in seiner Brust so gewaltig, als bräche ihm das Herz.
»Sie hat Euch geliebt … Vater.« William war ihm in den Hof gefolgt und legte ihm die Hand auf die Schulter.
Welch Glück, dass er nicht gehört hat, was Rose mir zugeflüstert hat!, dachte Guillaume dankbar und zugleich gerührt, weil William ihn endlich Vater genannt hatte. Er kämpfte um Fassung, darum dauerte es einen Moment, bis er zu antworten bereit war.
»Auch ich habe sie geliebt, mein Sohn, mehr, als du dir vorstellen kannst«, sagte er schließlich mit heiserer Stimme. »Und ich werde sie immer lieben.« Er nahm einen tiefen Atemzug von der würzigen Herbstluft. »Ein Teil von mir war in jedem Augenblick bei ihr und geht nun mit ihr fort. In dir aber, mein Sohn, in dir und in deinen Kindern und Kindeskindern lebt sie weiter.« Guillaume sah eine ganze Weile ins Leere, bevor er William anlächelte. »Wusstest du, dass mein zweiter Sohn mit Isabelle denselben Namen trägt wie dein Erstgeborener …« Er sah seinen Sohn voller Stolz an.
William schüttelte den Kopf. »Ich hörte nur, dass Euer Ältester…«, William räusperte sich, »Euer ältester legitimer Sohn, Euren Namen trägt.«
»Er ist schon fast ein Mann. In wenigen Jahren wird er zum Ritter geschlagen.« Guillaume nickte gedankenversunken. »Isabelle hat ihn auf den Namen Guillaume taufen lassen. Ich war zu jener Zeit beim König. Glaub mir, ich hätte einen anderen Namen für ihn gewählt, auch wenn ich ihr wohl niemals freiwillig gestanden hätte, dass es dich gibt.« Guillaume schämte sich nicht, seinem Sohn einzugestehen, wie schwach er gewesen war. »Sie ist so furchtbar eifersüchtig. Ich liebe sie und wollte sie nicht verletzen, verstehst du?«
»Ihr müsst ziemlichen Ärger mit ihr bekommen haben, damals nach Canterbury«, stellte William fest und lächelte beinahe entschuldigend.
»Das kann man wohl sagen!« Guillaume seufzte.
»Es wird nicht leicht werden für Euren Sohn, sich als Guillaume le Maréchal II. zu behaupten«, sagte William leise. »Ich habe erst spät begriffen, dass meine Mutter mir genau das hat ersparen wollen. Mit Euch und Eurem Ruf wetteifern zu müssen, ständig mit Euch
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