Der goldene Thron
verleihen. Das durften sie sich nicht länger bieten lassen! Sie mussten sich wehren, damit der König begriff, dass er sie nicht so respektlos behandeln konnte. Ließen sie ihn gewähren, war ihr Abstieg bei Hof bereits vorgezeichnet.
»Es geht nicht nur um unsere Zukunft, sondern auch um die unserer Kinder und Kindeskinder!«, erinnerte sie ihn. Sie war bereits mehrfache Großmutter und stolz darauf, eine so fruchtbare Familie zu besitzen. Der König selbst hatte in guten Tagen dafür gesorgt, dass einträgliche Verbindungen für ihren Nachwuchs vereinbart worden waren. Sie hatte nicht vor, das Erreichte nun leichtfertig aufs Spiel zu setzen. John mochte ihnen drohen, doch das konnten sie ebenfalls. Und besser noch! Wenn ihr Gemahl nur genügend Macht in Wales demonstrierte, würde der König sicher bald gewahr werden, dass er ihn als Verbündeten brauchte, nicht als Feind. Denn Feinde hatte er schließlich schon genug!
Hatte nicht auch der Maréchal gezeigt, dass man dem König die Stirn bieten konnte? König John, auch genannt Softsword, war ein Feigling! Matilda entwich ein herablassendes Zischen.
De Braose kam drohend auf sie zu. »Nun, durch deine unüberlegte Antwort an den König bleibt mir wohl in der Tat keine andere Wahl, als erneut um meine Ländereien zu kämpfen. Ich wollte den Streit mit John auf andere Weise lösen. Wozu sonst, glaubst du, habe ich mit ihm verhandelt? Unser Sohn ist kein Kind mehr und hätte als Geisel gewiss keinen Schaden genommen. Der Maréchal hat seine beiden Ältesten schon lange ausgeliefert, und nie hat John gewagt, ihnen auch nur ein Haar zu krümmen.«
»Du vergisst, dass den Maréchal und König John ein Ehebündnis ihrer Bastarde verbindet«, antwortete Matilda schnippisch. »Außerdem weiß Sir Guillaume nicht, was mit Arthur geschehen ist. Du aber warst dabei und hast mit eigenen Augen gesehen, wie unberechenbar er ist!«, schrie sie ihn an. Vielleicht, so begannen sie Zweifel zu beschleichen, hätte sie ihre Antwort an den König doch geschickter formulieren sollen, statt John durch ihre hoffärtige Art zu provozieren. Doch für diese Einsicht war es zu spät, der Bote war fort, die Nachricht gewiss längst überbracht.
Kilkenny, Irland, Frühjahr 1209
G uillaume!«, rief Isabelle und fuhr hoch. Eine grausig verzerrte Fratze hatte sich in ihren Schlaf geschlichen und sie zu Tode erschreckt. Isabelles Herz pochte noch immer. Weiches Morgenlicht fiel durch den hölzernen Laden vor dem Fenster und tauchte die Schlafkammer in sanfte Rottöne. Irgendwo in der Ferne hörte sie ein Kind greinen und einen Hahn krähen.
»Was ist, Liebling?« Guillaume rieb sich die Augen und sah sie besorgt an.
»Nichts. Nur ein Traum.« Isabelle drehte ihm den Rücken zu. »Ich will, dass du sie wegschickst!«
Guillaume stöhnte. »Nicht schon wieder, bitte, Isabelle!«
»Dies ist mein Heim!«, fuhr sie ihn an und drehte sich erneut zu ihm. »Und mein Land!«, fügte sie hinzu. »Ich will sie nicht mehr hier haben!« Ihre Stimme überschlug sich fast. »Mehr als zwei Wochen habe ich sie schon ertragen, nun ist es genug!«
Guillaumes Augenbrauen waren mit dem Alter buschiger geworden, und sein Blick konnte darum noch strenger wirken, wenn er sie zusammenzog, doch Isabelle beeindruckte das wenig.
»Du brauchst mich gar nicht so anzusehen«, rief sie herausfordernd. »Ich kann sie nicht leiden, und du weißt das. Nicht einmal die Katze mag sie, und die streicht jedem Dahergelaufenen um die Beine. Nur bei Lady Matilda buckelt und faucht sie.« Isabelle krallte ihre Hand in seinen Arm. »Bitte, Guillaume, sie ist mir unheimlich! Ihr Blick ist so … so kalt und voller Hinterlist!« Als sie merkte, dass Guillaumes Kinnmuskeln zuckten, küsste sie ihn auf die Wange. »Tu, was du dem Erzbischof versprochen hast, und eskortiere sie von unserem Land, ich bitte dich!«
»Ich habe ihnen meine Gastfreundschaft angeboten«, murrte Guillaume.
»Aber doch nicht für immer!«, rief Isabelle empört aus. Sie ahnte, dass Guillaume sich herauszureden versuchte. »Du weißt inzwischen genauso gut wie ich, dass sie vor John auf der Flucht sind. Darum musst du sie loswerden, oder du ziehst dir nicht nur meinen Unmut zu, sondern auch den deines Königs!«
»Schon gut!«, rief Guillaume aus. »Meinetwegen. Ich werde einen Boten zu den de Lacys entsenden, um sie anzukündigen, und lasse sie in zwei oder drei Tagen zu ihnen bringen. Zufrieden?«
In seinen Augen glaubte Isabelle eine Spur Verachtung zu
Weitere Kostenlose Bücher