Der goldene Thron
wie ein Iltis!
»Wo ist er? Geht es ihm gut?« Ein Rascheln wie von Seidenstoff begleitete die besorgte Stimme einer Frau.
»Ich denke, dass er bald aufwacht, Mylady«, antwortete die erste Stimme warm. »Die Wunde an seinem Bein habe ich versorgt, und wie mir scheint, ist das Fieber bereits ein wenig gesunken.«
Offenbar lebte er also doch noch! Wer aber war ›Mylady‹?
Guillaume versuchte erneut, die Augen zu öffnen, und diesmal gelang es ihm. Ein wenig verschwommen zunächst, dann deutlicher sah er das Gesicht einer Frau, die sich über ihn beugte und ihn anlächelte.
»Aber …«, formten seine Lippen lautlos. Das war doch … Oder täuschte er sich? Guillaume schloss die bleischweren Lider und lächelte selig. Nein, sie war es. Die Frau, für die er jederzeit gestorben wäre. Tausend Mal, wenn es hätte sein müssen. Was tat sie nur hier? Oder vielmehr, was tat er hier? Guillaume spürte ihre zarte, kühle Hand auf seiner Stirn und zuckte zusammen. Ein eisiger Schauer lief über seinen Körper.
»Er glüht wieder!«, hörte er sie besorgt sagen.
»Keine Sorge, Mylady. Er ist stark. Die schwärende Wunde und das wenige Essen hätten sicher so manchen Kerl gefällt. Er aber hat es überlebt. Ist ein zäher Bursche. Glaubt mir, er wird schon bald wieder wohlauf sein.«
»Habt Dank für Eure Bemühungen, Bader! Wenn Ihr etwas benötigt, dann schickt Euren Lehrjungen zu mir.«
»Gewiss, Mylady.«
»Ich werde für ihn beten«, sagte sie sanft. »Ich komme morgen wieder und sehe nach ihm.«
Guillaume glaubte, sich plötzlich bruchstückhaft an einen Mann zu erinnern, der ihn freigekauft und von den Lusignans fortgebracht hatte. Das musste ihr Werk gewesen sein! Beglückt und dankbar riss er die Augen auf und versuchte, etwas zu sagen. »Ich …«, seufzte er, und als er sah, dass sie bereits fort war: »Ich muss ihr danken …«
»Schont Euch, Sir.« Der Bader drückte ihn zurück in die Kissen. »Morgen kommt Euch die Königin wieder besuchen.«
Abergavenny am Tag ihrer Eheschließung 1169
M atilda, trödele nicht herum! Dein Bräutigam wartet«, ermahnte Lady St. Valéry ihre Tochter nun zum fünften Mal. Seit sie von den Hochzeitsplänen erfahren hatte, ging es ihr bedeutend besser. »Du wirst eine wundervolle Braut sein, glaub mir doch, mein Liebling!«
»Ach, Mutter, seht Ihr denn nicht, dass ich wie eine Vogelscheuche aussehe?« Matilda stieß sie beiseite. »Aber es sollte mir gleich sein. Der Gatte, den Ihr mir gewählt habt, gefällt mir ohnehin nicht. Einen mächtigen, wohlhabenden Mann mit grauen Schläfen hättet Ihr für mich aussuchen sollen, so einen wie seinen Vater. Nicht einen jungen Burschen mit stets feuchten, viel zu weichen Händen, der an den Fingernägeln kaut!« Matilda schüttelte sich angewidert.
»Aber Liebling, dein Gemahl wird schon bald Lord of Bramber werden. Mit unseren Ländereien wird das ein beachtlicher Besitz«, versuchte Lady St. Valéry, ihre Tochter zu besänftigen. »Und diese Burg hier ist doch auch recht komfortabel.« Sie machte eine ausschweifende Handbewegung über die großzügige Kammer, die man den Damen zur Verfügung gestellt hatte. Sie würde die Brautkammer sein, der Ort, an dem Matilda ihre Jungfräulichkeit verloren hätte, wäre da nicht die Begegnung mit ihrem Oheim gewesen … Zum Glück wusste niemand davon, außer einer alten Kräuterfrau daheim, die Matilda um Rat gefragt hatte, wie sie diesen Umstand in der Hochzeitsnacht vertuschen konnte.
Ein herablassendes »Pah!« entglitt ihr, doch es galt nicht derBurg, sondern der Dummheit, die ihr Gatte hoffentlich besaß. Er durfte nicht merken, dass er betrogen wurde und keine Jungfrau bekam, sonst würde er sie womöglich mit Schimpf und Schande davonjagen. Dies war keine Liebesheirat, sondern ein Arrangement, das beiden Seiten zu mehr Macht verhelfen sollte.
Trotzdem war zu bedenken, dass Matilda nicht gerade eine Schönheit war. Ihre Oberarme waren zu kräftig, dicker sogar als Lescelines Waden. Ihr Leib war nicht zart und biegsam, wie man es von einer Frau ihres Alters erwartete, sondern breit und schwer, mit groben Knochen. Mehr wie der Körper eines Mannes. Auch ihre Größe gereichte ihr nicht zum Vorteil. Männer schätzten es nicht, wenn die Frau sie um mehr als einen Kopf überragte. Dem jungen William de Braose dagegen machte es offenbar nichts aus.
Er war ein wenig rundlich. Mit seiner teigigen Haut erinnerte er an einen Säugling. Doch in seinen Augen, da loderte ein Feuer, das
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