Der goldene Thron
sodass sie am darauffolgenden Morgen ihre brummenden Schädel schonen mussten. Waren sie hingegen auf dem Land, dann vertrieben sie sich die Zeit mit der Jagd mit Hunden, Falken oder Habichten und machten den Mägden schöne Augen.
»Wie ich hörte, findet bei Epernon schon bald ein Turnier statt«, erzählte Henry eines Abends mit vollem Mund und ließ sich eine weitere Scheibe Fleisch aufgeben. Würzigen Wildschweinbraten und zartes Rehfleisch mit gepfefferter Mandelmilchsauce gab es, dazu gesottene Äpfel, Brot und genügend Wein, um ihre Kehlen nicht austrocknen zu lassen.
Ein Turnier! Guillaume entwich ein sehnsüchtiger Seufzer. Während ihrer Zeit in England hatte nicht ein Einziges stattgefunden. Der König hatte sie verboten, weil er sie für zu gefährlich hielt. Nur die Plaids, die stärker reglementiert, weniger tollkühn und darum nicht halb so aufregend waren, hatte er noch gestattet. Guillaume überlegte, wie lange es her war, dass er auf einem richtigen Turnier gekämpft hatte. Vor dem Aufstand der Prinzen war das gewesen! Ja, damals hatte er sich nicht so unnütz und überflüssig gefühlt …
* * *
Bitte, kein Turnier, dachte Adam, lächelte jedoch so freudig, dass ihm gewiss niemand ansah, wie wenig Lust er verspürte, sich schon wieder in einem Kampf bewähren zu müssen. Dievergangenen Monate an der Seite des jungen Königs waren bestens für ihn verlaufen. Während sich Guillaume gelangweilt hatte und entsprechend übler Laune gewesen war, hatte er sich großartig amüsiert. Das unbesorgte Leben eines reichen Mannes zu führen, das Lager mit willigem Weibsvolk zu teilen, zu trinken und zu spielen, mundete ihm mehr als das saure Soldatendasein, das Schmerzen und Entbehrungen bedeutete.
Dass es Guillaume anders ging, war nicht das Schlechteste, denn auf diese Weise hatte der junge König während des Friedens seinem Fechtmeister weniger, seinen anderen Rittern dafür mehr Aufmerksamkeit geschenkt, und Adam hatte davon profitieren können. Gewiss konnte er mit Fug und Recht behaupten, dass er – gleich nach Guillaume – zu den Männern gehörte, denen der junge König am meisten vertraute. Wenn sie nun aber wieder auf Wettkämpfe zogen und Guillaume sich dabei von seiner besten, tapferen, kämpferischen und erfolgreichen Seite zeigen konnte, dann waren Adam und die anderen Ritter erneut in Gefahr, bei Henry ins Hintertreffen zu geraten. Wenn sich Guillaume doch wenigstens ein wenig durch die Liebe ablenken ließe!
Adam grinste. Er selbst hatte schon wieder ein neues Mädchen im Auge, jung und wohlgenährt und, wie es schien, einem amourösen Abenteuer keineswegs abgeneigt.
Er hob seinen Becher und tat einen tiefen Zug. Wie auch immer sich der junge König entschied, er würde das Beste daraus machen.
* * *
Guillaume sehnte nichts mehr herbei als die Gelegenheit, sich in einen Kampf stürzen zu können, denn es gab kaum etwas Besseres, um seine Grübeleien über Ellen zu vertreiben.
»Die Turniere fehlen Euch ebenso wie mir, nicht wahr?«, riss ihn der junge König aus seinen Gedanken.
Guillaume nickte heftig, nahm sich ein großes Stück Pastete und biss hinein. Sie war noch warm, der Teig saftig und das Fleisch so zart, dass es auf der Zunge zerging.
»Auch mir juckt der Schwertarm!«, gab Simon de Marisco zu und tat, als kratzte er sich.
»Mir geht es nicht anders«, rief Thibault, und die anderen Ritter des jungen Königs stimmten ihm lautstark zu.
»Helme verbeulen!«
»Geiseln nehmen und Beute machen!«
»Bis zum Umfallen kämpfen!«, riefen sie, einer freudiger als der andere.
»Ich würde nichts lieber tun, als gemeinsam mit Euch daran teilzunehmen. Doch zu meinem Leidwesen fehlt es mir an geeigneter Ausrüstung.« Der junge König blickte seine Ritter niedergeschlagen an. Sein Vater hatte ihn nur spärlich bewaffnet ziehen lassen, darum zuckte er hilflos mit den Schultern.
»Aber liebster Vetter!«, rief der Graf aus. »Wenn es nur Waffen, Helme und Kettenhemden sind, die dir zu deinem Glück fehlen, so will ich dir allzu gern aushelfen. Geh und bediene dich in meiner Rüstkammer! Nimm dir, was immer dein Herz begehrt! Auch Streitrösser kannst du in meinem Stall wählen.«
Ein Raunen ging durch den Raum. Welch schöner, ehrbarer und großzügiger Ritter der Graf von Flandern doch war!
»Mein wunderbarer, liebenswerter Vetter, ich preise deinen Großmut und nehme deine freigiebige Einladung mit der allergrößten Freude an!« Der junge König erhob seinen Becher. »Auf
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