Der goldene Thron
Graf Philippe, den wir von ganzem Herzen lieben und ehren!«
»Auf Graf Philippe!«, erklang es aus vielen Kehlen.
Das Turnier, in das sie so voller Begeisterung und Ehrgeiz gezogen waren, hatte in einer beschämenden Niederlage gegipfelt. Weder Guillaume noch einer der anderen Ritter des jungen Königs hatte Beute gemacht. Nicht ein einziges Pferd, keine Rüstung, kein Schwert, nicht einmal das kleinste Messer hatten sie aus dem Kampf mitgebracht, nur blaue Flecken, Zerrungen, Schnittwunden und ein angekratztes Selbstwertgefühl. Nicht eine einzige Geisel hatten sie genommen, dafür aber Waffen und Pferde verloren, die ihnen der Graf von Flandern geliehen hatte.
Während ihre Gegner ihren Sieg lautstark gefeiert hatten, wäre Guillaume vor Scham am liebsten im Erdboden versunken. Mit Recht hatte ihn der junge König voller Zorn getadelt. Guillaume war nicht an seiner Seite gewesen, als er ihn am dringendsten gebraucht hatte. Zutiefst beschämt hatte er seinen Herrn um Verzeihung gebeten. Nie wieder wollte er einzig dem eigenen Verlangen nach Kampf und Ruhm folgen und dabei vergessen, seinen Ehrgeiz zu zügeln. Niemals, so hatte er seinem König geschworen, würde er künftig auch nur einen Zoll von seiner Seite weichen.
Irland im Juni 1176
S trongbow warf sich auf dem Lager, das man ihm bereitet hatte, hin und her. Der Schmerz in seinem Fuß war so grausam, dass er kaum noch wusste, wie er ihn aushalten sollte. Er biss die Zähne zusammen, um den Schrei zu ersticken, der ihm im Hals steckte. Erschöpft hob er den Kopf an, schlug die Decke zurück und sah an seinem Bein herab. Der Fuß war schwarz bis über den Knöchel hinaus, der Schmerz aber zog sich bis weit über das Knie.
Die Verletzung am Fuß war zunächst unscheinbar gewesen, darum hatte er sie nicht weiter beachtet. Dann aber war sie rot und heiß geworden und hatte zu eitern begonnen. Kräuterauflagen und Waschungen mit Essigwasser waren vergeblich gewesen. Fäulnis hatte sich in seinem Fuß ausgebreitet und vergiftete ihn nun.
Ein Schauder durchlief ihn. Er sackte zurück, zog die Decke wieder über sein Bein und bis zum Kinn herauf. Eben noch hatte er so sehr geschwitzt, dass sich Schweißperlen auf seiner Stirn gebildet hatten und ihm in die Augen gelaufen waren. Nun fror er erbärmlich, zitterte am ganzen Leib und konnte beim besten Willen nicht verhindern, dass seine Zähne aufeinanderschlugen.
»Aoife«, murmelte er im Fieber und sah das Gesicht seines geliebten Weibes vor sich.
Zwei Kinder hatte sie ihm geboren. Gilbert und Isabelle. Aoife hatte ihn auf den Duft von Isabelles Kopf aufmerksam gemacht, kurz nachdem sie geboren war. Nur wenig rotblonder Flaum wuchs auf ihm. »Weich und warm, nach Sicherheit, Liebe und Zärtlichkeit riecht so ein Säugling«, hatte Aoife ihm versonnen erklärt.
Zunächst hatte er sie ausgelacht, doch dann hatte er die Nase auf den kleinen Schädel seiner Tochter niedergesenkt und an der Stelle geschnuppert, an der ihr Kopf pochte, als trüge sie ihr Herz dort statt in der Brust.
Aoife hatte recht gehabt! Ob ihm bei Gilbert dieser Duft nicht aufgefallen war, weil er ein Knabe war? Oder hatte es daran gelegen, dass sein Sohn bereits mehr als ein halbes Jahr alt gewesen war, als er ihn zum ersten Mal gesehen und auf den Arm genommen hatte? Gewiss, Richard war stolz, einen Sohn zu haben. Sehr sogar. Doch Gilbert war ein wenig zu zart und kränklich. Aoife verhätschelte ihn, aus Angst, er könne das nächste Jahr nicht überleben, und zog ihn seiner Schwester vor. Richard aber empfand für Isabelle die größere Liebe. Vielleicht, weil sie das stärkere Wesen und den ausgeprägteren Willen hatte. Während Gilbert als Säugling stets nur gegreint und gewimmert hatte, lachte sie gurgelnd vor Freude oder brüllte aus vollem Hals, wenn ihr etwas nicht passte.
Richards Gesicht verzog sich zu einem traurigen Lächeln. Er hätte seiner Tochter einen Gatten auswählen wollen. Einen guten Krieger und aufrechten Mann, wie er viele unter seinen Gefährten wusste. Wie gern hätte er sie aufwachsen sehen und sie eines Tages zum Traualtar geführt! Und Gilbert, den er nach seinem Vater benannt hatte? Der Junge würde ohne Vater aufwachsen und sich später ebenso wenig an ihn erinnern können wie die kleine Isabelle …
Normandie im Juli 1177
I ch bitte Euch um Großmut, Sir.« Guillaume verbeugte sich vor dem grinsenden Franzosen mit dem schmalen Schnauzbärtchen.
Seit eineinhalb Jahren zog der Haushalt des jungen
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