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Der Goldkocher

Der Goldkocher

Titel: Der Goldkocher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Adloff
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aus einer Dose ein weißes Pulver, Opium, wie Lips schmeckte.
    ›Vater! Verfluchter Vater!‹, hämmerte es immer wieder in seinem Kopf. Der Schmerz ließ irgendwann etwas nach, aber gleichzeitig nahm der Taumel wieder zu. Die Bilder rasten vor seinem inneren Auge wild durcheinander, alles, was Lips vergessen wollte: Arnold, wie er am Fensterkreuz hing… Lips sprang die Treppe hinunter und schrie im Schankraum um Hilfe, die Männer sahen ihn blödgesichtig an… Safrans-Georg versuchte auf allen vieren wegzukrabbeln, »Verräter«, schrie der Vater… Lips sah die Daumenschraube… Anna kam von der Nikolai-Kirche gelaufen…
    Ihm taumelte. Lips riss verzweifelt die Augen auf, suchte Halt und fasste das Strohdeck. Nichts hatte er vergessen!
    Später kam der Justizrat von Haugwitz in Lips' Stube. Er wurde begleitet von einem alten Mann, den er mit Richter Brandenburg ansprach, sowie einem Secretarius. Der Richter befragte ihn, ob er jemanden an der Stimme erkannt habe? Ob die Banditen einen fremden Dialekt gesprochen hätten? Wo genau sie ihn niedergeschlagen hätten? Wie viele es gewesen waren? Warum er nicht mit zum Gottesdienst gegangen war? Ob er wenigstens das Beinkleid und die Stiefel der Banditen gesehen habe? Wie lange er schon in Diensten sei und ob er einen rechten Leumund habe. Und warum die Banditen das Laboratorium verwüstet hätten?
    Immer wieder konnte Lips nur sagen, dass die Banditen wahrscheinlich von der Sache mit Böttger gehört und Gold im Laboratorium vermutet hatten. Er habe oben im Haus ein ungefähres Geräusch gehört, und als er die Tür vom Laboratorium geöffnet hatte, habe ihn gleich ein Schlag getroffen. Ja, er hatte sich noch umdrehen wollen, da wäre ein verdächtiges Geräusch gewesen, aber niemand habe auch nur ein Wort gesagt. Auch nicht, als sie das Laboratorium verwüsteten. Nein, er habe nur einen Schatten gesehen und könne rein gar nichts sagen.
    Ja, er sei vor drei Jahren vom gnädigen Herrn Apotheker aus dem Waisenhaus geholt und hier aufgenommen worden. Sein Vater sei ein Schnallenmacher gewesen und schon vor langen Jahren gestorben. Nein, er habe vorher niemanden beobachtet, der die Apotheke ausgewittert habe. Auch einen Verdacht könne er nicht aussprechen, nicht einmal einen ungefähren.
    »Vielleicht weiß die Anna mehr«, sagte von Haugwitz.
    »Wieso die Anna?«, fragte Lips und versuchte sich aufzurichten. »Was ist denn mit der Anna?« Er musste sich bezwingen, sich unwissend zu stellen. »Sie war doch zur Kirche gegangen!«
    »Die Frau Zornin hatte versäumt, ihr Gesangbuch mitzunehmen«, sagte Haugwitz. »Anna sollte es holen. Dabei hat sie die Banditen überrascht.«
    »Und? Ist ihr was passiert?«
    »Ziemlich, ja leider.«
    »Was denn, gnädiger Herr von Haugwitz?«
    »Eine ziemliche Gewalt haben sie der Anna angetan«, sagte Haugwitz und wandte sich zum Richter. »Die Anna hat die Mannsbilder aber auch immer so stark gereizt! Der Herr Richter weiß schon. Die Anna hat so ein gewisses Naturell, ehm…« Er suchte nach einem Wort. »Verbuhlt ist sie, würde ich sagen. Ganz verrückt hat sie die Mannsbilder gemacht. Der Herr Richter wird sie ja selbst sehen.«
    »Ist die Magd denn verhurt?«, fragte der Richter.
    »Ich habe nur gehört«, flüsterte Haugwitz, »dass Kunkel von Löwenstern der Anna an die Weste wollte. Aber ob sie mit ihm gehurt hat? Das dann wohl doch nicht, wie ich es weiß. Den Herrn Kunkel von Löwenstern müsste man in Person dazu befragen. Nein, eine Hure hätte der Herr Apotheker nicht in seinem Haus geduldet. Und der Herr Pfarrer Porstmann…«
    »Der natürlich auch nicht«, unterbrach der Richter. »Dann nehmen wir jetzt diese Magd ins Examen.«
    »Wenn sie inzwischen wieder bei Sinnen ist, Herr Richter. Also gehen wir. Der Herr Kunkel von Löwenstern hat der Anna, soviel ich weiß, immer Bruchstücke vom Goldrubinglas mitgebracht.« Haugwitz lachte laut auf. »Da war die Anna immer wie vernarrt drauf. Auch auf diese Pfauenfedern, die hat er jedesmal…«
    Die Stimmen waren nicht mehr zu hören. Lips fieberte in Gedanken an Anna. Was der Vater ihr wohl angetan hatte? Der ganze Hass auf ihn brach auf. ›Umbringen werd ich ihn‹, schwor er sich. ›Ja, umbringen, wenn er sich noch einmal blicken lässt! Mit dem eigenen Brecheisen werd ich ihn erschlagen!‹
    Später brachte ein Knecht das Abendbrot, aber Lips ließ sich aufhelfen und stieg mit unsicherem Tritt mit ihm hinunter, um am Abendtisch zu erfahren, was mit Anna geschehen war. Am

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