Der Goldkocher
eine rübergelaufen. Gehört die zum Haus?«
Lips hielt sich den Arm, der entsetzlich schmerzte, und schlich ans Fenster. »Anna, das ist die Anna! Vater, sie darf mich hier oben nicht mit dir sehen. Ich muss runter ins Laboratorium.« Schon lief Lips aus der Offizin. An der Tür drehte er sich noch einmal um. »Vater, du tust ihr auch nichts!«
»Ja, ja!« Der Vater winkte ab.
Schon sprang Lips die Treppe hinunter. Er war gerade an der Tür des Laboratoriums, da hörte er, wie oben die Tür aufging. Einen Augenblick war es ruhig.
»Ist da jemand?«, rief Anna ins Haus.
Lips horchte angestrengt, aber es war gespenstisch ruhig. Die Stille war unerträglich. Sein Herz schlug wild, und er haderte mit sich, ob er hochgehen und Anna beistehen sollte. Aber mit dem gebrochenen Arm! Was sollte er damit gegen den Vater ausrichten! Lips befühlte vorsichtig seinen Arm, der immer mehr anschwoll, und horchte weiter.
»Frau Pfarrer?«, rief Anna.
Lips hörte ein leises Schurren, dann war es wieder ruhig. Er haderte mit sich und wollte gerade hochschleichen, da kam der Vater die Treppe hinunter.
»Was ist mit ihr?«, fragte Lips.
»Mit dem Weibsbild?« Der Vater nahm die Maskierung hoch. »Was soll schon mit der sein. Nichts ist mit ihr.«
»Du hast ihr doch nichts getan?«
»Ach was!« Tullian lachte auf. »Ist wohl deine Kleine, was?« Er blickte sich im Laboratorium um. »Wie man hört, kocht ihr hier Gold! Und mein Herr Sohn mittendrin.«
»Das war der Böttger, der hier Gold gemacht hat. Und der ist jetzt bei den Sachsen.«
»Verscheißer mich nicht!« Tullian ging an den Regalen entlang. Plötzlich hob er das Brecheisen und schlug wütend in ein Regal. Flaschen und Gefäße zerbarsten und fielen zu Boden. »Du solltest mir doch Opiumpillen bringen! Hast du das etwa vergessen?« Tullian fegte die Regalbretter leer, dann sah er das Schreibzeug auf dem Tisch und die Bögen, fasste den Tisch und schmiss ihn um. »Hört einfach nicht! Hat nur Sinn für sein Scheißgekrakel!« Wutentbrannt sah er Lips an. »Krieg raus, wo das Geld verwahrt wird! Verstanden?«
Frieder stand plötzlich in der Tür. »Mach nicht solchen Lärm! Komm hoch!«
»Ihr müsst mich noch fesseln!«, sagte Lips.
Tullian winkte Frieder. Der zog Lips einen Sack über den Kopf. »Hinlegen!« Die Beine wurden gefesselt, dann die Arme auf den Rücken verschränkt und Lips schrie vor Schmerz auf.
»Nun mach schon!«, hörte Lips die Stimme des Vaters, dann traf ihn ein Schlag am Kopf.
30
Irgendwann spürte Lips, dass ihn jemand losband. Er war ganz benommen, rang vor Schmerzen im Arm nach Atem, sein Kopf dröhnte. Den Arm konnte er nicht mehr bewegen.
»Diese Hunde!«, hörte Lips die Stimme von Haugwitz. Jemand zog ihm das Sacktuch vom Kopf.
»Was ist mit…« Lips konnte die Frage nach Anna gerade noch zurückhalten. »Nicht den Arm … auhhhh!«
Der Schmerz war so stark, dass ihm schwarz vor Augen wurde.
»Der Arm ist zerborsten«, sagte der Medicus Dippel. »Wir müssen ihn einrichten!«
»Herr Medicus Dippel!«, rief jemand von oben. »Schnell! Die Frau Pfarrer! Oben! Wir haben sie gefunden!«
»Mein Gott!«, entfuhr es Haugwitz.
Die Männer liefen aus dem Laboratorium. Es dauerte etwas, bis Lips sich erst hinknien und dann auf die Beine stellen konnte. Ihm war ganz schwindelig. Vorsichtig befühlte er die Brüsche am Kopf. Blut klebte an den Fingern, so wie damals, als der Vater ihm mit der Silberschnalle die Stirn zerfurcht hatte. Verfluchter Vater! Als er hinüber auf seine Stube wankte, kam ein Knecht herbeigelaufen und stützte ihn. Lips lag auf seinem Lager und vermied jede Bewegung. Er verbiss sich den Schmerz, und die Gedanken kreisten. Dann fiel ihm Anna ein. Er wollte in Panik schon den Viehknecht nach ihr fragen, konnte sich aber gerade noch bezwingen, sich nicht selbst zu verraten, dass er von Anna wusste.
Später kam der Medicus Dippel mit einigen Stöcken zum Schienen des Armes und Leinenzeug zum Wickeln. Er hielt Lips eine Flasche Branntwein hin. Lips roch an der Flasche, aber der Geruch löste einen Ekel aus. Er wies die Flasche zurück, aber Dippel drängte. Er hielt den Atem an und nahm einen Schluck. Dann wies Dippel die beiden Knechte an, wie sie den Arm zu halten und zu ziehen hatten, damit die Knochenenden wieder gegeneinander standen, dann gab er ein Zeichen.
»Ziehen! Fester!«, schrie Dippel gegen die Schreie von Lips. »Jetzt so halten! Nicht nachlassen!«
Nach dem Einrichten des Knochens spendierte Dippel
Weitere Kostenlose Bücher