Der Goldkocher
Betteltisch saß ein Schnurrjude, der eine Milchsuppe löffelte. Der Vater hatte beim Überfall geflucht, ein Schnurrjude hätte die Apotheke ausspioniert. Lips beobachtete den Schnurrjuden, aber dieser sah in seine Suppe und tat so, als ginge ihn der Überfall gar nichts an. Der Hausknecht saß mit gewickelter Stirn am Tisch. Er schüttelte immer wieder fassungslos mit dem Kopf und meinte, es müssten wenigstens drei, wenn nicht vier Maskierte gewesen sein, die sich von hinten auf ihn geworfen hätten. »Feiges… Feiges Pa… P… P… Pack eben!«
Die Frau Pfarrer, erfuhr Lips, hatte man in einem Schrank geknebelt und gefesselt gefunden. Ganz blau war sie schon im Gesicht angelaufen. Einen Geldsack mit Kirchengroschen hätten sie ihr unter harten Schlägen abgepresst.
»Und was ist mit Anna?«, fragte Lips.
»Der haben sie eine übergezogen«, sagte der Viehknecht und brach ein Stück Brot ab. »Und dann rangenommen. Meine, so richtig. Die Frau Pfarrer haben sie ja nicht weiter angerührt.«
»Gott sei Dank!«, sagte der Hausknecht in mahnendem Ton schnell hinterher.
Alle nickten entschieden. Lips sah in den Gesichtern, dass alle an das hässliche Fischgesicht der Frau Pfarrer dachten und sowieso jeder annahm, dass sie nicht einmal der schlimmste Bandit unkeusch angerührt hätte.
»Wie geht's denn der Anna?«, fragte Lips.
»Die Hur' wird's überleben!«, sagte der Hausknecht und nickte gewichtig, als hätte er sich zu etwas entschieden.
Lips sprang auf und wollte auf ihn los. Der Schmerz schoss in den Arm, als würde jemand mit einem Messer darin herumfahren. Ihm wurde schwarz vor Augen, er taumelte und musste sich am Tisch stützen.
»Was ist denn in den gefahren!«, rief der Viehknecht.
Auch der Schnurrjude blickte ihn fragend an. Sie brachten ihn hoch in seine Stube. Etwas später klopfte es. Der Apotheker und Pfarrer Porstmann traten mit ernstem Gesicht ein. Hinter ihnen folgte der Medicus Dippel.
»Mein Sohn«, Pfarrer Porstmann kniete sich zu ihm hinunter und legte ihm die Hand auf die Brust. »Wie geht es dir?«
»Es geht schon wieder, Herr Pfarrer.«
Lips schrie auf, als der Medicus die Schienung etwas lockerte, weil der Arm weiter angeschwollen war und die Tücher einschnitten. Es pochte und brannte stark.
»Lieber Schwiegervater«, Pfarrer Porstmann wandte sich zum Apotheker, »haben wir nicht etwas Probates gegen die Schmerzen? Es muss unerträglich sein.«
Der Apotheker nickte etwas widerstrebend.
»Danke, Herr Apotheker«, sagte Lips. »Es tut mir Leid, dass…«
»Aber Lips, was soll dir denn Leid tun?«, fragte Pfarrer Porstmann. »Uns tut Leid, was dir geschehen ist. Melde dich, wenn du etwas brauchst. Wir beten für dich, mein Sohn.«
31
Am nächsten Morgen ging Lips hinunter ins Laboratorium. Mit der gesunden Hand räumte er das Durcheinander auf und versuchte zu retten, was noch brauchbar war. Immer wieder musste er an Anna denken. Als er die Bögen mit den Aufzeichnungen durchsah, bemerkte er, dass jemand darin gestöbert haben musste, denn die Reihenfolge war durcheinander geraten. Haugwitz, vermutete Lips. Er saß über einer Liste mit Materialien, als es klopfte und der Medicus Dippel eintrat.
Dippel sah sich unverhohlen um. »Zeig deinen Arm!« Er tastete den Arm ab. »Hier also hat der berühmte Böttger sein Gold gekocht.«
»Ja, gnädiger Herr. Wie geht es der Anna?«
»Du warst dabei, nicht?«
Lips schreckte zusammen, weil er sofort an den Überfall dachte. »Wie dabei?«
»Na, beim Goldkochen natürlich!« Dippel öffnete einen Knoten der Armschienung.
»Ja, gnädiger Herr. Wie geht es denn der Anna?«
»Ganz gut. Wie es heißt, hast du einen geschwinden Verstand und findest dich express in alle chymische Erkenntnis. Besuch mich doch mal in meinem Laboratorium, und lass uns ein wenig über das Goldkochen disputieren.«
Lips biss die Zähne zusammen, als Dippel das Leinenband festzog und knotete. »Bitte nicht so fest, gnädiger Herr!«
»Muss sein!« Dippel zog nach, dann stand er auf und blickte neugierig auf den Stapel mit Lips' Aufzeichnungen. »Du forschst nach der Reihe, wie ich auf den ersten Blick erkenne.« Dippel beugte sich über das oberste Blatt. »Du setzt also auf Quecksilber. Interessant, interessant… Vielleicht sollten wir uns zusammentun. Ich brauche einen kundigen Chymicus für ein Laboratorium weit weg von hier. Nun ja, aber ich will dich ja nicht abwerben! Also, mein Freund, wie gesagt, dann besuch mich mal.«
Lips sah Dippel nach.
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