Der Goldkocher
Porstmann und zeigte mit dem Finger auf die Karte. »Also das sind hier die Wassergräben und die Wälle, die Basteien und Tore. Das ist Friedrichswerder, in der Mitte Colin und hier oben Berlin. Zwischen den Städten verlaufen die Arme der Spree, und hier gehen die Brücken darüber. Hier am Molkenmarkt, sieh genau hin, ganz klein, das ist unsere Apotheke. Da gegenüber ist unsere St. Nicolai-Kirche, dort St. Marien, hier das Schloss und daneben die Domkirche, da der Lustgarten. Ganz da hinten, diese kleinen Striche, das ist der Richtplatz.« Pfarrer Porstmann beugte sich ganz dicht darüber. »Sieh genau hin, es hängt sogar ein Bandit am Galgen.«
Pfarrer Porstmann nahm nun das Buch und sah Lips ernst an. »Jetzt zeig ich dir das Geheimnis unserer kleinen Gemeinde. Nur wenige Erwählte wissen davon. Das hier ist das Buch von Heinrich Khunrath, Amphitheatrum sapientiae aeterna. Du fragtest öfter danach.« Er schlug eine Seite auf und legte das Buch neben die Karte.
Lips wischte sich die Hände, die vor Aufregung ganz verschwitzt waren, an der Hose ab. Er sah eine Zeichnung, die eine Festung abbildete, ganz ähnlich wie die Festungsanlage auf der Karte von der Stadt mit Wällen, Wassergräben und spitz ausfallenden Basteien. Innerhalb der Festung waren hier aber keine Häuser gemalt, sondern es stand darin ein lateinischer Text geschrieben. Oben über der ersten Zeile war Mercurius in Gestalt eines Drachens gemalt. Nur ein Tor führte in die Festung. In einem Kreis um den äußeren Wall herum waren ebenfalls Texte in abgeteilten Kästchen, und vor angedeuteten Eingängen standen jeweils ein paar Männer.
»Du bemerkst die Ähnlichkeit der Zeichnung mit der Karte? Das ist die alchemistische Festung. Hier, die Männer vor den Stadttoren. Das sind gottlose Alchemisten, die in das Innere der Festung wollen und nur den Eigennutz suchen. Solche Adepten wie Böttger. Er hat mich auch auf das Buch von Khunrath gestoßen, damit wir seine Versuche ermöglichten. Heute weiß ich, dass er uns mit seiner Idee gelockt und dabei in seinem Herzen nur verlacht hat.«
Pfarrer Porstmann zeigte mit dem Finger auf das Blatt. »Ich habe immer wieder das Bild der alchemistischen Festung studiert. Hier sieh! Einundzwanzig Wege führen an die alchemistische Festung heran. Doch nur auf einem, dem Weg der Gottesfurcht und des Gebets, gelangt man ins Innere. Hier, durch dieses enge Tor. Nur dieser Weg bringt die Erkenntnis über den Stein der Weisen, alle anderen Wege sind des Satans Irrwege und führen ins Verderben. Böttger ist diesen Irrweg gegangen. Im Inneren der alchemistischen Festung siehst du nur das Wort. Es ist das Wort der Erkenntnis, das Wort Gottes, das dort geschrieben steht.«
Pfarrer Porstmann sah Lips eindringlich an. »Sieh genau hin: Ist in der Festung irgendwo ein Schloss, gar ein Lustgarten oder andere Lusttempel? Nein, nichts. Und jetzt verrate ich dir das Geheimnis unserer Gemeinde: Eines Tages, wenn der Stein der Weisen gefunden ist, werden wir eine alchemistische Festung bauen, eine Insel der Erwählten, auf der ein gottgefälliges Leben geführt wird. Es wird nur eine kleine Insel sein; nur für die Erwählten. Auch Dippel wird eines Tages vor dem Tor stehen und Einlass begehren! Er wird draußen bleiben vor unserer Insel und zusehen müssen, wie sich die Kreaturen gegenseitig zerfleischen, mit ihren Vielweibern betrügen und sich gegenseitig belügen, wie es ihre Art ist. Aber auf unserer Insel sehe ich wirkliche Menschen, die in Christenliebe miteinander leben und die Gebote achten. Alle Not hat ein Ende. Niemand braucht mehr zu frieren. Die Menschen sind satt und wohlgekleidet. Es braucht auch kein Armenhaus mehr! Jeder bekommt vom Himmeltau, was er braucht, aber auch nicht unnütz.«
Pfarrer Porstmann lächelte ihn bei den letzten Worten an und schlug das Buch wieder zu. »Und du wirst großen Anteil daran haben, weil du ein reines, gottgefälliges Herz hast. Ich weiß um deine Demut und dein bescheidenes Naturell. Trotzdem werde ich mit meinem Herrn Schwiegervater reden, dass du ein besseres Salär bekommst.« Pfarrer Porstmann stand auf und legte Lips seine Hand auf die Schulter. »Ich bete jeden Tag für dich, Lips.« In der Tür drehte er sich noch einmal um. »Du wirst den Stein der Weisen finden, ich glaube daran. Ich weiß es und vertraue dir.«
Lips fielen alle seine Sünden ein, seine Lügen und die Schuld am Tod des Kindes, die Verstrickungen durch den Überfall und die Bilder, die er sich von
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