Der Goldkocher
hab dich kommen sehen. Mein Sohn, du wirkst so bedrückt in letzter Zeit! Liegt vielleicht etwas auf deinem Gewissen; eine Sünde, von der du dich freisprechen möchtest. Es wird dir leichter werden, wenn du dich gereinigt hast.«
»Es ist…« Lips musste schlucken, und es drängte in ihm. »Es ist wegen dem Überfall.«
»Ja, er lastet sehr auf uns allen. Nimm dir den Überfall nicht so sehr zu Herzen. Wie geht es denn deinem Arm?«
»Danke, Herr Pfarrer, sehr gut.« Lips war erleichtert, dass Pfarrer Porstmann nicht weiter nach dem Überfall fragte. »Ich war heute beim Herrn Dippel.«
»So? Hast du etwas Nützliches bemerkt?«
»Der Herr Dippel macht Versuche mit Tieren. Er will den Lebensgeist einfangen und den Toten wieder eingeben.«
»Ich weiß«, sagt Pfarrer Porstmann ernst. »Dippel vergeht sich an der Schöpfung. Er fordert Gott heraus. Aber der Herr wird dem Frevel nicht lange zusehen! Wie ich hinter der Hand hörte, will Dippel auf Burg Frankenstein ein alchemistisches Laboratorium einrichten.«
Lips war überrascht, wie genau Pfarrer Porstmann über Dippel Bescheid wusste.
»Sag, Dippel wollte dich also abwerben? Hat er versucht, sein Gift in dir zu setzen? Hab keine Furcht, es mir zu beichten.«
Lips spürte sich erröten. »Ja, Herr Pfarrer.«
Pfarrer Porstmann lächelte. »Du brauchst doch nicht zu erröten!«
Lips spürte, wie es nochmals ganz heiß in sein Gesicht schoss.
»Hat Dippel dir denn ein gutes Salär geboten?«, fragte Pfarrer Porstmann und sah ihn offen an.
»Fünfzig Taler auf das Jahr, Herr Pfarrer.« Schnell sagte Lips hinterher: »Aber ich werde nicht wieder zu ihm hingehen.«
»Das ist ja eine ungeheure Summe! Was zahlt dir denn mein Herr Schwiegervater?«
»Seit Neujahr bekomme ich vier Groschen in der Woche.«
»Die Schlafstube darfst du nicht vergessen. Und du bekommst doch auch genug zu essen, nicht wahr? Und die Kleidung! Sogar einen neuen Sonntagsrock hat dir mein Herr Schwiegervater spendiert. Und sieh mich doch an! Ich gehe auch ohne allen überflüssigen Putz! So schlicht und einfach ist mein Tuch, wie der Herr es uns Christen aufgegeben hat.«
»Ich will doch auch nicht klagen, Herr Pfarrer.«
»Ich weiß. Dann musst du auch bedenken, wie teuer uns die Versuche zu stehen kommen. Die Kollekte in unserer kleinen Gemeinde reicht bei weitem nicht mehr dafür. Du musst wissen, dass mein Herr Schwiegervater und ich von unserem Ersparten zusetzen. Wir vertrauen alle auf dich.«
»Ich weiß, Herr Pfarrer.«
»Aber da ist noch etwas, nicht? Ich spüre es. Wollte Dippel dich ausspionieren?«
»Ja, Herr Pfarrer.«
»Und hat er versucht, dich gegen mich aufzustacheln?«
Lips nickte.
»Ich dachte es mir. Was hat er gesagt? Fürchte dich nicht, sag schon!«
»Der Herr Pfarrer wäre ein … fanaticus.« Weiter wagte Lips nicht zu sprechen.
»Ja, ich setze meine ganze Kraft in Gottes Willen.« Pfarrer Porstmann nickte nachdenklich. »Ist etwas schlecht daran, für das Gute zu streiten? Ich glaube nicht. Aber davon versteht Dippel nichts. Er ist friedgehässig und hetzt mit seiner Streitlust die Menschen auf. Jedem versucht er seine giftigen Stachel unter die Haut zu setzen.« Pfarrer Porstmann überlegte eine Weile und sah ihn immer wieder fragend an. »Gut, die Zeit ist reif. Warte!«
Pfarrer Porstmann ging aus dem Laboratorium und kam mit einer Rolle und einem Buch zurück. »Du wirst dich fragen«, begann er, »warum wir die teuren Versuche bezahlen und so sehr auf dich setzen. Es ist nur ein kleiner Kreis unserer Gemeinde der Erwählten, der davon weiß. Jeder von uns hat vor Gott geschworen, dass niemals etwas nach außen dringt. Jeder Verrat würde großes Unglück über jeden von uns bringen. Auf Leben und Tod! Gelobst du vor Gott, dem Herrn, Stillschweigen über unser Geheimnis zu bewahren und niemals einen Verrat zu begehen?«
»Ja, Herr Pfarrer«, sagte Lips aufgeregt, denn auf dem Buchrücken konnte er den Namen Khunrath lesen.
»Gut, ich möchte dir etwas zeigen.« Pfarrer Porstmann schob das Buch zur Seite und breitete eine Rolle auf dem Tisch aus. »Hast du schon einmal eine Karte von unserer Stadt gesehen?«
»Nein«, sagte Lips. Gleichzeitig musste er an die Diebeskarten denken, die er in der Grabich-Schenke gesehen hatte. Es waren ganz einfache Zeichnungen gewesen von Dörfern und Städten, mit Zeichen dazu, wo etwas zu holen war, ob Hunde wachten oder gegen kleine Münze Unterschlupf zu bekommen war.
»Schau her!«, flüsterte Pfarrer
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