Der Goldkocher
Kerl, jammert nur rum wegen seiner Gichtknochen. Kann so ein Gejammer nicht leiden.«
»Ja! Ja! Ja!«, rief die Hure.
Der Vater horchte einen Augenblick auf. »Nach einer Flasche war dieser Leibniz abgefüllt, und wir kamen aufs Goldkochen zu reden. Der war wie angestochen, weil der Böttger bei dir im Keller diesen Stein der Weisen gefunden hat. Weißt du, was der Leibniz mit dem Gold anfangen würde? Die Chinesen sollen alle eine Bibel kriegen!« Tullian lachte auf. »Nach der Sauferei hat der sich nicht mehr runter in den Schankraum getraut. Dachte wohl, er muss mir einen ausgeben und hat sich's Essen immer auf die Stube bringen lassen!«
Lips hörte, wie die Hure schrill aufwimmerte, und hockte wie gelähmt da.
»Sei nicht so grob zu ihr, Frieder!«, rief Tullian. Er griff nach einer doppelläufigen Pistole und wog sie prüfend in der Hand. »Ich glaub ja nicht an die Goldpanscherei. In Dresden auf der Bastei war mein Kerker nicht weit von dem Böttger entfernt, wo der jetzt sein Laboratorium hat. Was sag ich: Laboratorium! Eingekerkert haben sie den! Der steht immer unter Bewachung. Hier!« Tullian reichte die Pistole hinüber. »Der Beschlag ist angelaufen. Verkommt alles, wenn man sich nicht selbst drum kümmert.«
Lips nahm die Pistole, die für zwei Schuss bereit war. Tullian und Frieder, schoss es Lips durch den Kopf.
»Nein, nicht!«, heulte die Hure auf. »Nein, nicht doch!«
Schläge waren zu hören und Frieder rief etwas. »Ich werd dir…«
»Nein, nein!«
Bei jedem Schrei sackte Lips mehr in sich zusammen. Er kauerte auf dem Schemel, fühlte sich wie ein geprügelter Hund, der seinem Herrn die Hand leckte, und so, als lägen keine Jahre dazwischen, nahm er wie früher in der Grabich-Schenke die Zündhütchen von der Pfanne der Pistole herunter, hauchte das Metall an und begann mit dem Saum seines Sonntagswamses zu reiben.
»Du bist doch so ein Gescheiter«, sagte der Vater und legte sich auf das Bett zurück. »Kannst du mir erklären, warum der Böttger diese verfluchte Tinktur nicht einfach wieder zusammenpanscht? Dem steht das Wasser doch bis zum Hals! Der König droht Böttger mit dem Galgen, und dem will nicht mehr einfallen, was er alles für diese verfluchte Tinktur braucht!? Mir würde alles einfallen, sag ich dir.«
Aus dem Nebenzimmer drang Frieders Schnauben, dann war es plötzlich ruhig. Lips spürte den Wein in sich kreisen. »Es ist eben eine geheime Kunst, die sehr lange…«
»Quatsch! Geheime Kunst! Wenn ich so was schon höre! Ein großer Beschiss ist es! Nichts sonst! Eine Probe türken die mit ihren Tricks, dann gehen sie auf Vorschuss und machen sich ein feines Leben. Und wenn ihnen der Boden zu heiß wird, gehen sie stiften. Hast du inzwischen rausgekriegt, wie's der Böttger hingekriegt hat? Also lass dir was einfallen. Bist doch sonst so ein Gescheiter. Und deinen Herrn Apotheker, den lassen wir jetzt richtig ausbluten.«
Die Tür ging auf. Frieder knöpfte an der Hose, stellte sich ans Fenster und blickte forschend hinunter auf die Straße.
»Willst du jetzt?«, fragte Tullian und sah Lips an.
»Wie?«
»Na drübergehen!«
»Wie? Was?«, fragte Lips verdattert. Ein Zündhütchen fiel auf den Boden, als er es auflegen wollte.
»Wie? Was?«, Tullian lachte und forderte nach der Pistole. »Frieder, hast du so was schon mal gehört? ›Wie! Was!‹ Und kriegt den Tatter! Ich glaub, mein Herr Sohn ist noch Jungfrau!«
Frieder zuckte gleichgültig mit den Mundwinkeln.
Tullian fasste nach der Pistole und wies damit auf das Nebenzimmer. »Na los!«
Lips spürte seinen letzten Willen brechen. »Nein, ich…«, druckste er herum.
»Macht einfach nicht, was man sagt! Hat seinen eigenen Kopf, der Herr Sohn. Ist dir meine Hure vielleicht nicht gut genug? … Antworte, wenn dein Vater mit dir spricht! Hast du vielleicht was Besseres?«
»Nein, Vater.«
»Na also! Jetzt geh schon! … Hörst du nicht? Gib mir noch vorher die Arznei gegen den Kodder auf der Brust.«
»Was für Arznei?«
»Frieder, hast du ihm nichts gesagt?«
»Natürlich!«
»Hab ich vergessen«, sagte Lips.
»Du vergisst doch sonst nichts!« Tullian schlug jähzornig auf das Bett. »Hört einfach nicht, der Junge. Verfluchter…«
Lips sah noch, wie der Vater das Bettzeug zurückschlug und dabei blickte, als würde er nach seinem Brecheisen suchen.
Als Lips in der Tür stand, bückte sich die Hure über einem Tisch, auf dem einige Satteltaschen lagen, die von Frieder sein mussten.
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