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Der Goldkocher

Der Goldkocher

Titel: Der Goldkocher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Adloff
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zurückzuhalten; ihre Hand tanzte auf und ab, er hörte sie plötzlich »Ja! Ja! Ja!« hecheln und sah ihre Brüste pendeln. Der Schauer stieg in ihm auf, und es drängte aus ihm heraus. Kurz darauf spürte er, wie sie von ihm abließ.
    Als er die Augen öffnete, sah er, wie sie nach dem Lappen griff, der am Fußende bereitlag, und seine Scham wischte. Dann erhob sie sich, kniete vor der Kommode und spähte darunter nach ihrem zweiten Strumpf.

37
    Auf dem Rückweg kam Lips über den Mühlendamm. Er stellte sich ans Geländer und sah aufs Wasser. Sein Kopf war ihm ganz hölzern, und die Gedanken kreisten wirr. Der verfluchte Vater drängte sich in sein neues Leben. Er zerstörte alles! Jetzt verlangte der Vater wieder Verrat an dem einzigen Menschen, der ihm wirklich etwas bedeutete! Alles wiederholte sich! Er holte die Flasche mit der Blauen Säure aus der Tasche und wog sie noch etwas in der Hand, dann warf er sie in hohem Bogen in die Spree. Er wusste nicht, ob er zurück zur Apotheke gehen sollte, und fühlte sich schmutzig. Lange schaute er ins Wasser, in dem sich sein Spiegelbild undeutlich abzeichnete, und er beobachtete die Strudel, in denen sich das Licht brach. Dann irrte er durch die Straßen.
    Es dunkelte schon, als er zurückkam. Aus seiner Kammer holte er frische Leibwäsche, und am Brunnen schöpfte er Wasser. Damit stieg er hinunter ins Laboratorium, zog sich aus und schrubbte sich den Leib, bis die Haut schmerzte. Gegen den schalen Geschmack vom Wein spülte er mit präpariertem Salpeter. Lips zog die frische Wäsche an, setzte sich an den Tisch und blätterte lustlos in einem Buch. Alles hatte nichts genutzt. Bei offenen Augen sah er die Hure, wie sie ihn abfertigte, und ihr scharfer Geruch kroch ihm in die Nase. Er fühlte sich weiter schmutzig.
    Es klopfte. »Wer ist da?« Lips sah, wie der Türgriff ging.
    »Ich bin's, Pfarrer Porstmann. Mach auf!«
    Lips stockte einen Augenblick, dann schloss er auf.
    Pfarrer Porstmann fragte mit den Augen, ob er sich setzen könne.
    »Hier, Herr Pfarrer.« Lips mied seinen Blick. Er nahm seine Kleider vom Stuhl herunter und bot ihn an.
    »Ich habe über einer Schrift gesessen über unsere Insel und eine Pause gemacht. Ich stand gerade im Fenster, als du gekommen bist. Setz dich doch zu mir! Weißt du, Lips, wir setzen alle so große Hoffnung in dich.«
    »Ich weiß, Herr Pfarrer.«
    »Ich musste daran denken, wie du im Armenhaus zwischen den anderen gestanden warst.« Pfarrer Porstmann lächelte. »Weißt du, auf unserer Insel wird nicht ein solches Elend sein, wie du es ausgestanden hast. Es wird ein wenig wie im Paradies werden, glaub mir. Die Menschen werden von allen Gütern, die sie wirklich brauchen, genug bekommen. Magervieh zum Exempel wird gar nicht mehr durch die Tore gelassen. Besonders wird natürlich auf die Kinder gründliche Obacht gegeben, dass sie gute Nahrung bekommen und keine Not leiden müssen. Ihre Kleidung ist aus gutem, blau eingefärbtem Tuch, sauber und warm. Die Haare tragen sie kurz geschnitten und ordentlich gekämmt; die Mädchen züchtige Zöpfe, keine Spangen oder anderer Flitterkram. Alles ist zum Zwecke der menschlichen Wohlfahrt wohl geordnet. Aber Lips, ich sehe an deinen Augen, dass du mir gar nicht richtig zuhörst. Du bist mit den Gedanken woanders.« Er sah Lips besorgt an und fasste kurz seine Hand. »Ich mache mir Sorgen um dich, mein Sohn.«
    Lips spürte die Wärme der Hand. Die Gedanken rasten. »Mir ist auch nicht ganz wohl, Herr Pfarrer. Mich fröstelt von innen. Vielleicht ist es ein Fieber.«
    »Es ist mehr, ich weiß es. Du wirktest so bedrückt, als wir heute nach der Kirche hierher gegangen waren! Und als du jetzt nach Hause gekommen bist, da gingst du so gebeugt, als laste eine schwere Bürde auf deinen Schultern. Du bist immer so verschlossen! Willst du dich mir nicht offenbaren, mein Sohn? Manchmal hilft es, sich die Seele freizusprechen. Ist etwas mit den Proben? Kommst du nicht voran? Manchmal glaube ich, dass der giftige Stachel, den Dippel in dir setzen wollte…«
    »Ich hab gelogen, Herr Pfarrer!«, platzte es aus Lips heraus. »Alles ist gelogen, von Anfang an.« Er wartete nicht ab, was Pfarrer Porstmann sagte. Ganz gebeugt saß er da und hielt die Hände zwischen seine Knie gepresst. Es brach aus ihm heraus; ohne aufzuschauen sprach er in wirrer Folge aus, was ihm gerade auf die Zunge kam. Sein Oberkörper schaukelte vor und zurück, während er seine wahre Herkunft beichtete. Er gestand den

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