Der Goldkocher
worden war. »Und was ist mit deiner Mutter?«
»Sie war früher als Magd in Kossin. Wir waren auf dem Weg dorthin, und sie ist unterwegs gestorben.«
»Kossin, notier Er das«, sagte Pfarrer Porstmann zum Präzeptor. Er stellte sich vor Lips und legte ihm seine Hand auf die Schulter. »Was schaust du mich die ganze Zeit so merkwürdig an?«
»Es ist … weil der Herr Pfarrer so eine große Ähnlichkeit mit meinem Vater hat.«
»So!«
»Ja, er war auch ein gottgefälliger Mann.«
»Dann hat er dich auch in der Religion gelehrt?«
»Etwas, Herr Pfarrer. Soll ich ein Kirchenlied aufsagen?«
Pfarrer Porstmann nickte, und Lips sprach schnell ein paar Verse herunter, die er von dem Soldaten gelernt hatte.
»Genug, genug!«, Pfarrer Porstmann lächelte und drehte sich zu den Herren. »Was ist jetzt?«
Einer schüttelte den Kopf, ein anderer gähnte, und niemand sagte etwas.
»Dann auch ins Arbeitshaus mit dem?«, fragte der Präzeptor.
Pfarrer Porstmann nickte Lips bedauernd zu und ging zum letzten Jungen.
»Ich will auch ein gottgefälliges Leben führen!«, platzte es aus Lips heraus. »Und ein gutes Handwerk lernen!«
»Ja, ja. Natürlich!« Der Pfarrer drehte sich zu ihm um und lächelte milde. »Wer will das nicht!« Er wandte sich wieder dem nächsten Jungen zu.
»Und du, mein…«
Lips trat einen Schritt vor. »Ich kann auch lesen! Und schreiben!«
Pfarrer Porstmann horchte auf. »Lesen? Du?«
»Ja, hab ich mir selbst beigebracht.«
»Selbst?« Pfarrer Porstmann sah ihn ungläubig an, nahm das Buch und zeigte auf den Buchrücken. »Lies!«
»Re…gim…ents…ver…fas…sung.«
»So was hatten wir hier noch nicht!«, sagte ein Mann, lehnte sich vor und stützte sein Kinn auf die Arme. »Der kann ja wirklich lesen!«
Der Pfarrer schlug das Buch in der Mitte auf. »Hier, lies weiter!«
Lips wischte sich die feuchten Hände am Sacktuch ab, dann nahm er das Buch. Die Buchstaben waren ganz verwirrend mit vielen überflüssigen Schnörkeln, und er musste erst für sich schauen, bis er die Worte erfasste.
Weil die Gei…. las Lips langsam, Weil die Geil…heit unzulässig ist, die Erfahr… Erfahrung aber lehrt, dass kein Mensch sie vermeiden kann, ehm … wenn er Brunft leidet, so … so sollen alle Reizun…gen, Reizungen durch die Weiber … ja sie sollen … vermieden werden.
»Tatsächlich!« Pfarrer Porstmann nahm Lips das Buch aus der Hand und sah ihn forschend an. »Hier, das noch.«
Von der rechten Kinderzucht im Staate GOTTES
Damit die Kinder von ihrer ersten Kinder… Kindheit an Lust zur Arbeit haben und Aber… Abscheu vor dem Mü…ßig…gang bekommen, so müssen sie allezeit etwas vorhaben und sollen niemals in Stille sitzen… sitzengelassen werden. Niemals soll eine Lüge nachgesehen werden, und die Abscheu vor der Sünde muss ihnen ein…gestan… eingestanzt werden, auch ist ihnen das Laster der Nasch…haf…tig…keit niemals nachzusehen. Auch…
»Genug, genug!«, unterbrach Pfarrer Porstmann mit einem milden Lächeln.
»Hat der Herr Pfarrer aus seinem neuesten Buch vorlesen lassen?«, fragte einer der Herren.
Pfarrer Porstmann verneigte sich bescheiden.
»Ganz wunderbare Worte hat der Herr Pfarrer wieder gefunden!«, sagte ein anderer Herr. »Die Herren Präzeptoren sollten es genauestens studieren.«
»Nun ja, Gott führte mir die Feder«, sagte Pfarrer Porstmann. »Aber will denn niemand den Jungen haben? Es ist doch zu schade um ihn.« Er schaute die Männer an, die nun alle wegsahen. Dann ging der Pfarrer um den Tisch und sprach dem Apotheker ins Ohr, der sich mit den Fingerspitzen über den Kragen seines schwarzsamtenen Mantels strich. Wie der Pfarrer trug er eine weiße, weit ausladende Perücke. Die beiden Männer sprachen leise miteinander. Lips beobachtete mit klopfendem Herzen, wie der Pfarrer auf den Apotheker einsprach, der ablehnend die Arme kreuzte und mit seinen Augen, die wie bei einem Frosch vorstanden, hoch zur Decke sah. Aber der Pfarrer ließ nicht nach, der Apotheker wies dann unwillig auf den Bettnachbarn von Lips, nickte aber schließlich.
»Mein Herr Schwiegervater«, sagte der Pfarrer dann zum Präzeptor, »der ehrenwerte Apotheker Zorn, nimmt dann doch diesen … ehm … Lips.«
»Und was ist mit mir?«, hörte Lips die Stimme seines Bettnachbarn hinter sich.
»Nein, zwei Jungen sind zu viel«, sagte der Apotheker entschieden. »Ich hab doch auch schon das Mädchen.«
Pfarrer Porstmann sah fragend zu den Männern, aber niemand sagte
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