Der Goldkocher
Pfiffikus!« Nach kurzer Zeit kräuselte ein dünner Nebel empor, und ein scharf-beißender Geruch machte sich breit.
»Was hat es denn mit dem Versuch auf sich?«, fragte Lips. »Erklärt Er es mir?«
Böttger stocherte in der Glut und schwieg eine Weile. »Na gut. Ich verrate dir ja kein Geheimnis. Es ist eigentlich ganz einfach: Wenn es mir gelingt, rotes Kupfer weiß zu bekommen, dann krieg ich weißes auch wieder rot. Dann kann ich das Metall mit einer Tinktur hinauf- oder herabstimmen, verschlechtern oder wertvoll machen. Verstanden!? Gut. Jetzt stell dir das mal mit Silber vor.«
»Er meint, man kann dann aus Silber auch richtiges Gold machen?«
»Schlaues Kerlchen! Oder aus Blei, egal. Du brauchst nur die Tinktur. Ich bin mir nicht sicher, ob der Stein der Weisen wirklich eine Tinktur ist. Manche Adepten sagen auch, es wäre ein rotes Pulver.« Böttger ballte die Hände. »Ich weiß, es gibt den Stein! Es ist das größte Geheimnis, das die Natur im Verborgenen hält!« Er wickelte ein feuchtes Tuch um den Kopf, um die Haare vor der Hitze zu schützen. »Es ist nur die Frage, wer den Schatz zuerst findet. Es sind alle hinterher.« Böttger zählte an den Fingern ab: »Der Kunkel; dann der Oberhofmarschall Graf Wittgenstein, dieser Blutsauger hat sich jetzt auch ein Laboratorium eingerichtet; der Haugwitz, dieser Pfuscher; dann der Siebert und Röber in der Vorstadt, auch beides Pfuscher, wenn du mich fragst; und Dippel, der auch da oben mit rumfrömmelt.« Böttger zeigte hoch an die Decke, über der die Bibliothek war. »Dippel hockt auch ständig mit dem Rosenberg zusammen, auch ein Chymicus mit zweifelhaftem Ruf; dann Leibniz, der ist auch hinter dem Stein der Weisen her, wie der Teufel hinter der Seele. Der Leibniz will auf Schloss Lützenburg ein Laboratorium einrichten. Bezahlen soll's die Königin. Schon mal gehört von Leibniz?«
»Nein, noch nie.« Lips rieb sich die Augen. Er hörte seine Stimme entfernt hallen und ihm war, als spräche sein Schatten. »Was ist dieses Theriak, von dem Er mir gegeben hat?«
»Allerhand.« Böttger sah ihn keck an. »Ist 'ne gehörige Quantität Opium drin. Nicht schlecht das Zeug, was?«
Lips nickte. »Und was macht Er, wenn Er den Stein gefunden hat?«
»Na was wohl! Gold natürlich! Mengen, die du dir gar nicht erträumen kannst! Berge von Gold! Dann kann mich der Geizhals von Apotheker mal!«
Als Lips Böttger anblickte, war er ganz verwirrt und rieb sich kräftig die Augen, aber er täuschte sich nicht: Böttger trug auf dem Kopf eine goldene Krone.
»Jetzt raus mit dir!« Böttger stand abrupt auf. »Muss noch was zusammenpanschen, was dich nichts angeht!«
Am nächsten Morgen war Lips' Körper so schwer wie damals auf dem Weg nach Kossin, als er die Mutter auf dem Rücken tragen musste. Als er am Gesindetisch zum Morgengebet aufstehen wollte, wurde ihm schwindelig. Die Wände kreisten plötzlich um ihn, er wollte nach dem Viehknecht greifen, da wurde ihm schwarz vor Augen, und er taumelte ins Bodenlose.
***
Als Lips die Augen wieder öffnete, stellte der Viehknecht gerade eine Haferbreipampe vor seinem Schlaflager ab. »Na also! Hast Hunger bekommen, was? Du wirst es nicht glauben! Der Böttger ist wieder abgehauen. Der wollte irgendwas unten im Laboratorium zeigen. Der Kunkel und der Dippel waren auch dabei. Hat dann wohl nicht geklappt, jedenfalls hat der Böttger sich mächtig blamiert. Ist dem Schandmaul auch zu gönnen.« Der Viehknecht lachte schadenfroh. »Ich muss jetzt rüber zur Hausbeichte. Der Porstmann nimmt sich einen nach dem andern vor. Ich weiß noch gar nicht, was ich dem erzählen soll. Er hat auch nach dir gefragt. Sag mal«, der Viehknecht schnalzte mit der Zunge, »du warst doch nachts bei den Huren! Kannst du mich nicht mal mitnehmen? Ich meine, nur zum Gucken!«
Lips lachte nur, weil ihm in seiner Verlegenheit nichts Besseres einfiel, und beugte sich zur Haferbreipampe.
»Was ist denn jetzt? Nimmst du mich mit?«
»Nein«, sagte Lips hart. »Lass mich.«
Der Viehknecht zog ein beleidigtes Gesicht und kniff verärgert die Augen zusammen. »Lass das nur nicht den Hausknecht mitkriegen!«, sagte er noch im Hinausgehen. »Der wird dich…«
13
Einige Tage später musste Lips aufpassen, dass kein Bettelgesindel vor der Apotheke herumlungerte und die Kundschaft bedrängte, was in den Tagen vor Ostern stark überhand nahm. Der Knüppel, den der Hausknecht ihm gegeben hatte, wog schwer in seiner Hand, und es sträubte sich in
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