Der Goldkocher
Herrschaften, die aus dem ganzen Reich von den Feierlichkeiten angezogen wurden, verstopften die engen Straßen, und prächtig gekleidete Lakaien wurden in der Apotheke vorstellig und verlangten für ihre Herrschaften, die sich auf der langen Reise einen Wolf geritten hatten, nach lindernden Salben für die wunden Stellen.
An einem Vormittag nach Ostern schlug Lips eine zähe Masse aus Vogelleim, Terpentin, Mastix und geschabtem Speck. Damit, so witzelten die Burschen, rissen sich die hohen Damen an den ganz heimlichen Orten die Haare aus. Lips machte eine Pause vom schweren Schlagen, wollte nach Anna schauen und stellte sich ans Fenster. Als er zwei Vögel beobachtete, die auf dem Mauerwerk des Brunnens herumhüpften, regte sich in ihm ein schlechtes Gewissen wegen der Bilder von Anna. Er musste an Pfarrer Porstmann denken, wie dieser neulich in der Predigt vom Glück der Vögel gesprochen hatte, ihrer Genügsamkeit und ihrem natürlichen Gottvertrauen, das sie außerhalb der Brunft frei von allen unkeuschen Gedanken machte und nach der Brunft alle unnötigen geilen Triebe in ihnen absterben ließe. Denn der geile Gedanke wäre genauso Sünde wie die überflüssige Fleischeslust. Die unkeuschen Gedanken erhitzten nur das Mannsvolk und ließen es unnötig Brunft leiden, wo diese von Gott doch ausschließlich zur Fortpflanzung gedacht sei und nicht zum geilen Behagen.
Ein warmes Lüftchen schlug Lips entgegen. Anna war nirgends zu sehen. Er sah in den blauen Himmel und hoffte für den Nachmittag auf Botengänge, weil er sich die Parade der Schweizergarde auf dem Schlossvorplatz anschauen wollte. Er wollte sich gerade wegdrehen, weil der Hausknecht über den Hof eilte, da sah er, wie dieser stockte und mit geducktem Kopf stehen blieb. Lips beugte sich vor und sah Böttger, der am Hintereingang zum Haupthaus mit dem Apotheker und dessen Frau stand. Böttger war zurück! Lips beobachtete, wie dieser einen Bückling nach dem anderen machte, und der Apotheker redete eindringlich auf ihn ein. Sofort flackerte wieder Hoffnung in Lips auf, dass es nun mit dem Laborieren weiterginge. Böttger würde nie aufgeben! Dann gingen die Zorns ins Haus, und Böttger drehte sich um. Er war blass und abgefallen und sah ganz elend aus mit dem dünnen Bart, den er sich hatte wachsen lassen. Er ging hinüber zum Gesindehaus, ganz nahe vorbei am Hausknecht, und Lips konnte sehen, wie Böttger diesem den Afterfinger zeigte.
14
Die Hochzeit der Kurfürstentochter rückte näher. Immer mehr Menschen drängten in die Stadt. Eine Vorfeier übertrumpfte die andere, und dabei stand die größte Festlichkeit noch aus. In der Apotheke wurden alle Hände gleichzeitig gebraucht. Selbst an Sonntagen wurde zwischen den Gottesdiensten gearbeitet. Jeden Tag fuhr der Hausknecht mit dem Wagen vor und brachte geschnürte Pakete und Fässer mit neuen Materialien.
Bei den Damen war von einem Tag auf den anderen Aqua damascena in Mode, Engelswasser, um der Haut einen lieblichen Geruch zu geben. Es konnte so plötzlich gar nicht genug herangeschafft werden, sodass die Hofdamen bevorzugt beliefert wurden. Die Kavaliere hingegen verlangten mit freier Stimme nach Überziehern aus getrockneten Fischblasen oder, wer auf sich hielt, auf Vorrat die teuren aus Lämmerblinddärmen. Lips rieb die Überzieher mit Öl und Kleie ein, bis sie geschmeidig waren, und sortierte sie nach Größen, da kam Böttger hektisch mit einem Fässchen Quecksilbersalbe gelaufen, die beim Morbus gallicus , der französischen Lustseuche, mit Fleiß geschmiert wurde. Lips sollte die Salbe in Glastöpfe abfüllen und Deckel daraufschrauben, in die fein geritzt eine Schäferin zu sehen war, die mit schlüpfrigem Blick einen Hirtenstab umgarnte. Es stank durchdringend nach der Lustsalbe, und Lips öffnete das Fenster zum Hof. Oben aus der Kinderstube klang seit Tagen das Schreien des Säuglings.
»Herr Böttger, warte Er noch«, sagte Lips leise. »Hat Er etwas, damit der Junge nachts schläft? Der schreit die ganze Nacht. Die Anna kann nicht mehr. Sie sagt, sie ist schon ganz taumelig.«
»Du mit deiner Anna!«
»Sie ist nicht meine Anna!«, sagte Lips schroff.
»Na was denn jetzt? Ist sie jetzt oder nicht?«
»Er soll sich da raushalten!«
»Schon gut, schon gut!« Böttger sah ihn keck an. »Jetzt sei doch nicht so empfindlich!«
»Es muss heimlich mit der Arznei sein. Die Frau Zornin hat Angst, dass irgendwas Giftiges an den Jungen kommt.«
»Ja, ja…« Böttger blätterte
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