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Der Goldkocher

Der Goldkocher

Titel: Der Goldkocher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Adloff
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zurück.
    Vor der Apotheke stand die Trauergemeinde, die vom Friedhof zurückgekehrt war. Die Zornin blickte mit starrer Miene vor sich hin, während der Apotheker den Medicus Dippel und andere Trauergäste verabschiedete. Anna musste schon im Haus sein. Kunkel, der den Paten für den verstorbenen Jungen gemacht hatte, stand etwas abseits mit Böttger und hörte diesem aufmerksam zu. Mal nickte er, mal schüttelte er den Kopf. Lips sah an Böttgers Eifer, dass es um Alchemie gehen musste.
    Später setzte Böttger sich an den Abendtisch und schien guter Dinge. Als der Hausknecht wegen einer Erledigung zum Apotheker gerufen wurde, drehte Böttger sich zu ihm um und rief keck hinterher: »Na, dann gehen wir mal!«
    Der Hausknecht wandte sich noch einmal um, schlagartig wurden die Gesichter wieder ernst, er besann sich aber und schlug die Tür zu. Sofort war alle Trauer vergessen, und Leben kam in die Stube. Der Viehknecht erzählte, dass der Pfarrer den dummen Heinrich dabei überrascht hatte, wie dieser vor der Tür von Anna stand, sein Gemächt in der Hand hielt und darauf wartete, dass sie herauskam.
    »Die hätte dem schon eine verpasst!«, lachte Böttger.
    »In Acht nehmen soll die sich!«, flüsterte der Knecht Bohne, der neben Lips saß. »Grad beim Herrn Pfarrer.«
    Lips suchte verstohlen den Blick von Böttger, der seit dem Tod des Kindes ein vorwurfsvolles Gesicht zog, als hätte Lips allein Schuld daran.
    In der Nacht schreckte Lips immer wieder auf, weil er meinte, vom Haupthaus das Klagen der Zornin zu hören. Und immer wieder musste er an das Zeichen des Vaters denken. Er musste Gewissheit haben. Die Erinnerungen blitzten auf und kamen mit Macht. Dann sah er den dummen Heinrich vor der Tür von Anna stehen und Pfarrer Porstmann, der mit Ernst auf diesen einredete, bis er vor Scham schluchzte und sich selbst ins Gesicht schlug. Von Unruhe getrieben hielt es Lips nicht mehr auf dem Lager, und er stellte sich ans Fenster. Einmal sah er Rauchschwaden aus dem Schornstein steigen.

16
    Am nächsten Morgen stand Anna mit den anderen Mägden im dampfenden Waschhaus. Einmal kreuzten sich ihre Wege mit Lips, als sie mit einem Bottich zum Brunnen ging.
    »Mann, Mann, Mann!«, sagte Anna vorwurfsvoll und sah Lips scharf an, als würde sie an die Arznei denken, an der der Sohn des Apothekers gestorben war. Sie wischte sich die Tropfen aus der Stirn. »Ist das 'ne Plackerei!« Ihr Hals glänzte vom Nass, und einige Tropfen suchten sich den Weg hinunter in ihr durchschwitztes Kleid. »Was ist denn mit deinen Händen? Ekelig so was! Hast die Blattern?«
    Den ganzen Vormittag musste Lips getrocknete schwarze Kichererbsen, die hohen Damen bei wehem Monatsfluss verordnet wurden, in einer runden Holzbüchse schwenken, damit sie vergoldet wurden. Die Holzbüchse war durch ein kleines Schloss gesichert. Ausgerechnet Lips war dafür abgestellt worden. Der Apotheker kam immer wieder in den Arbeitsraum. Er wirkte gehetzt und sah übernächtigt aus. Lips erschrak jedes Mal, dachte, jetzt wäre das Missgeschick mit dem Opium herausgekommen, und war ganz erleichtert, als der Apotheker gleich nach der Holzbüchse griff. Er öffnete das Schloss, und je nachdem, wie die Pillen das Gold angenommen hatten, nahm er die veredelten Erbsen heraus und legte sie in eine mit rotem Samt ausgeschlagene Schachtel mit der Aufschrift Pharmacia elegans, oder er gab eine Fingerspitze Blattgold nach, das er in einem Briefchen bei sich trug. Das Ganze erinnerte Lips daran, wie er damals mit Arnold Kupfermünzen mit Gold überzogen hatte.
    »Das dauert zu lange!«, raunzte der Apotheker ihn an.
    Nach dem Mittagstisch musste Lips vom Schlachthaus in der Paddengasse einen Beutel mit Gallensteinen von Ochsen holen. Auf dem Rückweg grübelte er lange, war unentschlossen, doch dann zog es ihn Zum Schwarzen Adler . Er musste Gewissheit haben. Er wollte es eigentlich nur wissen, sagte er sich, nicht mehr.
    In einiger Entfernung blieb er im Schutz eines Viehschuppens stehen. Am Eingang der Gastwirtschaft standen jetzt zwei Wachsoldaten mit Gewehren in der Hand. Der eine nahm sich den Helm ab und kratzte sich den Kopf. Sie wirkten gelangweilt, hatten nichts Bedrohliches in ihrem Gehabe und schauten den vorübergehenden Frauen hinterher. Lips beobachtete das Treiben um die Gastwirtschaft herum, wie die Menschen in der Gastwirtschaft ein- und ausgingen, und fragte sich, ob es wirklich das Zeichen des Vaters war. Denn was sollte der Vater denn ausgerechnet hier, wo

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