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Der Goldkocher

Der Goldkocher

Titel: Der Goldkocher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Adloff
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musste, und wies auf einen Tisch am Fenster, an dem ein Mann über einem Teller mit Blutwurst saß.
    »Sehr wohl, gnädiger Herr von Schönknecht!« Der Wirt liebedienerte, redete auf den Gast am Fenstertisch ein, er möge doch einen anderen nehmen. Der Gast gab Widerworte und zeigte auf die leeren Tische, schließlich zog der Wirt ihm den Teller weg und stellte ihn auf einen anderen Tisch. Wütend erhob sich der Mann und folgte dem Wirt.
    »Guck nicht so rüber, Frieder!«, flüsterte der Vater, der dem Mann ganz ruhig nachsah. »Ist die Feuerkasse hier. Die Städte und Dörfer müssen sich einschreiben lassen und einzahlen. Wenn sie abbrennen, kriegen sie Geld aus der Feuerkasse.«
    »Sachen gibt's!«, raunte Frieder und zog Rotz. Er beugte sich vor, wischte mit dem Ärmel die Fensterscheibe und sah forschend auf die Straße. »Und wie machen wir das dann mit den Brandbriefen? Meine, das ist denen dann doch egal, ob sie abbrennen! Oder hab ich da was nicht verstanden?«
    »Abwarten«, sagte der Vater. »Weiß auch noch nicht, was ich davon halten soll. Jetzt guck nicht so raus, die Soldaten draußen passen schon auf uns auf! Hier sind wir sicherer als irgendwo anders!«
    Einen Augenblick sah Lips den Vater bewundernd wegen dessen Kaltblütigkeit an. Der Vater lehnte sich zufrieden lächelnd zurück, als der Wirt einen Krug mit Wein und drei Gläser auf den Tisch stellte. Sie schwiegen, bis eingeschenkt war.
    »Schneid hast du ja immer gehabt!« Frieder wandte sich vom Fenster ab und hob sein Glas. »Aufs Wiedersehen!«
    »Aufs Wiedersehen!« Der Vater stieß gegen Lips' Glas und sah auf den Beutel. »Trink schon! Was hast'n da drin?«
    »Steine«, sagte Lips und nippte vom Wein.
    Der Vater sah ihn ungläubig an. »Was denn für Steine?«
    »Von Ochsen. Für Arzneien. Ich bin in einer Apotheke untergekommen. Die warten auch schon auf mich! Ich muss bald los!«
    »Sieh an, sieh an! Da haben wir ja einen Herrn Apotheker unter uns Kochemern! Es wird doch noch was aus meinem Jungen, was Frieder?« Der Vater beugte sich wieder vor und sprach leise. »Jetzt erzähl, was mit der Mutter passiert ist.«
    »Also damals, ehm…« Lips überlegte kurz, weil er jedes Wort über die Daumenschraube vermeiden wollte. »Also bei dem Überfall, als die Soldaten… Wir waren oben bei den Verstecken … ehm…«
    »Fickfacker hier nicht rum!« Der Vater sah ihn ungeduldig an. »Wollten dich hart gegen die Tortur machen. Jetzt erzähl schon, was mit der Mutter war!«
    Lips erzählte in knappen Sätzen, wie er damals mit der Mutter im Erdloch gesteckt und ihr eine Kugel den Kopf zerhauen hatte, und er berichtete von der Flucht nach Dresden.
    »Warum hast du mich nicht gesucht? Hab mir Sorgen gemacht!«
    »Wir haben dich ja gesucht. Beim Sulzer, auch in Dresden in der Schenke Zum güldenen Euter.«
    »So? Und weiter?«
    Lips erzählte von dem Weg nach Kossin, der Krüppelfuhre und dem Waisenhaus. »Vater, ich muss jetzt los! Die warten schon. Der Hausknecht, der wird mich…«
    »Wie heißt denn diese Apotheke?«, unterbrach der Vater.
    Durch den Schankraum drang der fette Klang von Talern, die auf den Tisch ausgeschüttet wurden. Lips zögerte einen Augenblick. Er sah den lauernden Blick von Frieder und überlegte, ob er einen falschen Namen sagen sollte. »Die Zornsche Apotheke.«
    Der Vater lachte leise auf. »Zorn! Frieder, hast du das schon mal gehört!? Zorn! Das ist doch kein Name für eine Apotheke! Glück muss eine Apotheke heißen oder Leben, genau: Zum ewigen Leben, aber doch nicht Zorn!«
    Der Wirt kam mit einem vollen Krug und schenkte allen nach. »Bitte sehr! Hat der gnädige Herr von Schönknecht noch ein Begehr?«
    »Natürlich!« Der Vater grinste. Er prostete Frieder zu und forderte auch Lips auf, mit ihm anzustoßen. »Da kann Er mir aber nicht helfen.«
    Auch der Wirt grinste übertrieben. »Ist der Herr denn nicht zufrieden? Er hat doch diese angenehme Bekanntschaft mit der jungen Dame?«
    »Doch, doch! Ist schon gut. Ach, warte noch! Sag, die Zornsche Apotheke, die finde ich…«
    »Ja, die ist gleich drüben am Molkenmarkt. Ist nicht weit von hier. Braucht der Herr vielleicht etwas?« Er beugte sich hinunter. »Vielleicht ein Balsam, um in den Sattel zu kommen?!«
    »Nein, nein!« Tullian lachte lauthals. »So was brauch ich nicht! Höchstens eine Kühlsalbe!«
    Der Wirt lachte einen geziemenden Augenblick hohl mit und ging dann zum nächsten Tisch.
    Die Redensarten des Vaters hatten Lips schon immer angewidert.

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