Der Goldkocher
war, dies zu verschweigen. Wieso sollte er es auch sagen! Außerdem war er ja auch nicht gefragt worden! Böttger hatte auch seine Geheimnisse, und Alchemisten wollten nicht, dass man ihren Künsten auf die Schliche kam!
Böttger kam ins Goldfieber. Er brütete mit angerußtem Gesicht vor den Tiegeln im Windofen, dann sprang er plötzlich auf und hastete zum Abort. Lips sah dann in die aufgeschlagenen Bücher und horchte, dass er wieder rechtzeitig über der zugeteilten Arbeit saß. Das geheimnisvolle Buch von Heinrich Khunrath konnte Lips jedoch nicht entdecken. Böttger hatte das Hosenband noch nicht zugebunden, da hockte er schon wieder über alchemistischen Büchern, die er wahllos zu verschlingen schien, und vergaß darüber seine Suppe. Gerade das Entlegenste schien ihn in Bann zu schlagen. Manchmal rief er erbost: »Afteralchemist!«, »Verfluchter Wiederkäuer!«, »Wettermacher!« oder nur »Blödsinn!« Die Aufzeichnungen von Lascaris lagen auf dem Tisch, er beachtete sie aber nicht weiter. Soweit Lips sich zusammenreimen konnte, schien Böttger eine andere Fährte zu verfolgen.
Einen Nachmittag musste Lips den Kamin ganz gründlich ausschaben und auswaschen. Böttger schrieb währenddessen alchemistische Zeichen aus Büchern ab und fertigte zum Vergleich Listen mit den mehrfachen Bedeutungen der Zeichen an. Anschließend zeigte dieser Lips, wie im Windofen Arsenkies geröstet wurde. Lips musste das Feuer so halten, dass der Rauch ganz langsam abzog. Nach einigen Stunden wies Böttger ihn an, das Feuer zu löschen und den Niederschlag im Kamin abzuschaben. Böttger nahm eine Talgfunzel und schaute hoch in den Kamin. »Da oben, das weißliche Zeug, das ist Arsenicum … Rattenpulver.« Dann stockte er. »Pssst … leise!« Böttger horchte. »Da oben über uns in der Bibliothek, die Frömmler hocken wieder zusammen! Der Porstmann sagt irgendwas. Ist aber zu undeutlich…«
Böttger sah sich suchend um, da blieb sein Blick auf einem kupfernen Destillierapparat mit vielen abzweigenden Rohren hängen. Rasch löste er die Verbindungen, probierte herum und steckte einige Rohre neu zusammen. Er suchte einen Trichter, steckte ihn obenauf und führte die ganze Konstruktion vorsichtig in den Kamin. Er legte sein Ohr an das Ende, fügte noch mehr Stücke an, sodass das Rohr im Kamin hochwuchs. Zwischendurch horchte er immer wieder.
»Mann! Mann! Mann!«, flüsterte Böttger aufgeregt und horchte weiter. Immer wieder schüttelte er mit dem Kopf, als würde er nicht glauben, was er hörte. »Jetzt geht's ins Große!« Er ließ es bei dieser Anspielung. Gedankenverloren baute er das Horchrohr auseinander und fügte die einzelnen Rohre wieder an den Destillierapparat. »Da, kratz das Weiße raus und machs Maul dabei zu. Irgendwelche Fragen? Na also!«
Lips schabte den weißen Niederschlag aus dem Kamin und horchte dabei nach oben. Er konnte aber nur undeutliche Stimmen hören.
Der folgende Versuch dauerte bis tief in die Nacht und erinnerte Lips an das Entfärben des Kupfers, wie Böttger es schon einmal gelungen war. Lips versuchte sich alle Einzelheiten einzuprägen, die er nebenher erhaschte: die Zeichen der Stoffe, die Böttger auf ein Blatt geschrieben hatte, die abgewogenen Quantitäten und die Arbeitsschritte. Über Stunden hockten sie vor dem Windofen. Böttger schaute zwischendurch immer wieder in verschiedene Bücher und verglich seine Aufzeichnungen damit. »Der Idiot hier, der legt lauter falsche Fährten. Hier«, Böttger pochte auf eine Seite, »das ist das Zeichen für Zinn. Es muss aber Kupfer sein, sonst gibt das doch keinen Sinn!«
»Warum benutzt Er falsche Zeichen?«
»Weil Alchemie eine Geheimwissenschaft ist, deswegen. Das machen alle Adepten so. Ich auch! Namen von Planeten, Tiernamen, irgendwas aus der Bibel. Die lassen sich allerhand einfallen.« Böttger blätterte in einem Buch. »Hier, ein chymischer Beweis: Die phlegmatische Feuchtigkeit ist der Lunae noch nicht gänzlich genommen, ob sie gleich eine Sulphur fixem Graduum erlangt. Sondern sie beruht mit ihrer Qualität noch einem niedrigem Gradu, so lange ihr der König der Sonne durch seinen heißen Samen ihren kalten Leib erwärmt. Hast du irgendwas verstanden? Du denkst doch, der hat sie nicht alle!« Böttger schlug das Buch zu und lachte. »Wer weiß, wo das Ferkel den Mist abgeschrieben hat. Alles nur Hirngespinste von diesem chymischen Wichtigtuer! Der panscht die Materien wahllos zusammen und verlässt sich auf den Herrgott!
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