Der Goldkocher
kratzte misstrauisch mit einem Messer daran, ob nicht Gold daran verborgen war. Jede Stunde drehte Böttger das Stundenglas herum. Einmal sagte Pfarrer Porstmann müde, er müsse hochgehen, um sein Wasser abzuschlagen. Das Buch von Khunrath wollte er erst auf einen Hocker legen, besann sich aber und nahm es mit. Auch der Apotheker musste auf den Nachtstuhl, wartete aber, bis der Pfarrer ihn vor dem Windofen ablöste. Das Buch brachte dieser nicht wieder mit. Die Masse dickte immer mehr ein, wurde dann zu einem harten Klumpen, und es ging kaum noch Geruch davon ab.
Es war tief in der Nacht, als das Stundenglas das sechste Mal ablief. Alle sahen sehnsüchtig zu, wie die letzten Sandkörner durchrieselten, dann stand Böttger auf und wischte die verschwitzten Hände an der Hose ab. »Herr Pfarrer, jetzt brauchen wir ein ›Vaterunser‹.«
Schlagartig war die Müdigkeit von allen abgefallen. Sie standen andächtig, als Pfarrer Porstmann ein Vaterunser sprach – wobei alle Augen auf dem Tiegel lagen. Dann holte Böttger ihn aus der Glut und stellte ihn vorsichtig auf eine Steinplatte auf den Tisch. Eine dunkle, blasig aufgeworfene Masse klebte im Tiegel. »Es muss erst abkühlen. Lips, schau mal da hinten nach einem Hammer.«
Nach einiger Zeit hielt Böttger seine Hände über den Tiegel, aber er hatte zum Anfassen noch zu große Hitze. »Lips, bring den Bottich von da hinten. Wir kühlen das Gold im Wasser!«
»Moment! Moment!«, rief der Apotheker. Er krempelte sich den Ärmel hoch und fischte im Wasser, ob darin etwas verborgen wäre, dann nickte er.
Es zischte auf, als Böttger den Tiegel ins Wasser plumpsen ließ. Einen Augenblick wartete er noch, dann holte er ihn heraus und legte ihn auf den Tisch. Größte Anspannung lag in den Gesichtern. Böttger bekreuzigte sich, dann holte er aus und wollte auf den Tiegel schlagen.
»Moment!«, rief der Apotheker dazwischen, der sich sichtlich zur Ruhe zwingen musste. Er hielt Böttger am Ärmel, forderte den Hammer ab und untersuchte auch diesen gewissenhaft. Dann reichte er ihn zurück. Böttger schlug nun zu. Der Tiegel zersprang, und ein Klumpen flog unter den Tisch. Böttger bückte sich und wollte ihn aufheben.
»Halt!«, rief der Apotheker, leuchtete mit einer Talgfunzel unter den Tisch und strich die Bretter der Unterseite mit dem Finger ab, dann gab er Böttger ein Zeichen und ließ ihn den Klumpen aufheben.
Böttger schlug nochmals. Der Klumpen zerbrach in zwei Stücke. Böttger hielt noch den Hammer, da griff der Apotheker nach einem Stück, der Pfarrer nach dem anderen. Sie besahen die Hälften, wischten mit dem Finger über die dunkle Masse und sahen sich fragend an.
»Nichts!«
»Bei mir auch nicht.«
»Moment!«, sagte Böttger. Er nahm Pfarrer Porstmann den Klumpen aus der Hand und schlug darauf ein, dass er in viele Teile zersprang. Er strich mit den Fingern durch die Brösel. »Verdammt, da muss was sein! Lascaris hat es geschworen!« Er nahm jetzt dem Apotheker den Klumpen aus der Hand und zerschlug auch diesen.
»Zurück, Böttger!«, rief der Apotheker. Er rückte die Talgfunzel näher und durchforschte alles. Einen Brösel nach dem anderen rieb er auf dem Holztisch und legte ihn zur Seite. »Hier!«, sagte er auf einmal. Er hielt ein angeschwärztes Stück hoch, wog es prüfend in der Hand, wischte mit dem Finger darüber und rieb es nochmals auf dem Holztisch. Er hielt es wieder prüfend hoch, da sah Lips den goldenen Schimmer.
»Gold?«, fragte der Pfarrer.
»Weiß nicht!«, sagte der Apotheker ungläubig. »Glaub schon.« Er schluckte und war sichtlich um Fassung bemüht. Böttger wollte nach dem Goldstück greifen, aber der Apotheker stieß seine Hand zurück und hielt es ganz nah an das Talglicht.
Lips wurde dann aus dem Laboratorium geschickt. Bevor er ging, musste er vor Pfarrer Porstmann schwören, dass er über alles schweigen würde. Falls jemand vom Gesinde fragen sollte, warum er im Laboratorium gewesen war, sollte er sagen, es ginge um eine Arznei, an der der Herr Apotheker probieren würde.
»Es ist auch keine Lüge«, sagte Pfarrer Porstmann ernst. Er legte Lips seine Hand auf die Schulter und sah ihn eindringlich an. »Denn der Stein der Weisen hilft gegen alle Krankheit und gibt das dreifache Leben.«
Beim Hinausgehen sah Lips noch, wie Pfarrer Porstmann auf Böttger zuging, der die Hände wie zum Gebet gefaltet hielt. Durch die dicke Tür meinte er den Pfarrer ›großes Werk‹ sprechen zu hören, aber es lag etwas in
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