Der Goldkocher
der Stimme, was Lips nachdenklich stimmte.
Oben im Hof lehnte Lips sich an die Wand des Arbeitshauses. Gold! Böttger hatte wirklich Gold gemacht! Fetzer sprang auf und lief ihm entgegen, bis sich die Leine straff spannte. Lips ging langsam näher heran. »Ja, Fetzer!« Er hockte sich hin, streckte die Hand aus und ließ sich die Hand lecken. »Ja, Fetzer!« Mit der anderen Hand kraulte er sein Fell. »Jetzt wird alles gut!«
***
Am nächsten Morgen arbeitete Lips an der großen Drogenpresse. Böttger lief nervös zwischen dem Arbeitsraum und der Offizin hin und her. »Die sind jetzt beim Goldschmied«, flüsterte er im Vorübergehen. »Die lassen das Gold ausschmieden, ob es rein ist.«
Gegen Mittag stand Böttger mit lachendem Gesicht in der Tür und winkte Lips heran. »Jetzt geht's Laborieren richtig los!«, flüsterte er in bester Laune. »Komm mit! Ich brauch dich zum Tragen.«
Sie gingen hinüber zur Materialkammer, wo der Apotheker auf sie wartete. Er holte einen Schlüssel hervor und schloss auf. Der Hausknecht kam herbeigelaufen, wurde aber vom Apotheker weggeschickt und ging nur sichtlich widerwillig. In der Tür vom Gesindehaus drehte er sich noch einmal zu ihnen um und sah sie fragend an, dann verschwand er.
»Lips, der Herr Böttger will dich als Laborknecht haben«, sagte der Apotheker und schaute dabei in die grün gestrichenen Kastenblöcke, die bis hoch an die Decke reichten. »Du wirst ihm zur Hand gehen, wenn er dich braucht. Also, Böttger, was hat Lascaris aufgeschrieben?«
»Eine Menge!« Böttger räusperte sich. »Gebrannter Alaun ein Pfund, Eisensafran zehn Gran, dann guten Spiritum vini, ehm…«
»Spiritum vini. Wozu brauchst du Branntwein?«
»Hat Lascaris aufgeschrieben.« Böttger wies auf das Blatt mit den alchemistischen Zeichen. »Hier, Herr Apotheker! Und jede Menge Mercurius. Mit Verlaub, Herr Apotheker, das da hinten wird bei weitem nicht reichen. Ich brauch noch die Bücher vom Herrn Kunkel, dann…«
Als Lips die Kisten aus der Materialkammer trug, blickte er einmal hoch zu den Fenstern des Haupthauses. Anna stand dort mit neugierigem Blick und winkte ihm zu. Wenn sie von seinen Bildern und Tagträumen wüsste, wie er sie in Gedanken auszog, sie begehrte und beide ein Fleisch miteinander waren!
19
Der Hausknecht schlich unterdessen mit dem Ochsenziemer durchs Haus und ließ die Knechte ihre Hosentaschen umkehren, weil es zu einem unerklärlichen Verschleiß an kostbarem Theriak, einem opiumhaltigen Universalmittel und bewährtem Präservativ gegen die Pest, gekommen war. Misstrauisch schaute er hinterher, wenn Lips mit Böttger hinunter ins Laboratorium ging. Die Regale waren unterdessen voll gestellt mit Gefäßen, kleinen Säcken und Gerätschaften. Auf dem Tisch stapelten sich Bücher. Viele Bücher!
»Damit es hier keine Missverständnisse gibt.« Böttger baute sich vor Lips auf und blies ihn mit dem schalen Geruch von Spiritum vini an. »Du bist hier der Laborknecht und sonst gar nichts! Was hier auch passiert, was du auch mitbekommst, es bleibt unter uns. Die Alchemie ist die geheimste aller Wissenschaften. Es darf nichts nach außen dringen, gar nichts. Ich muss dir vertrauen können. Und du machst hier nur, was ich dir sage, ansonsten hältst du dein Maul. Verstanden!?«
»Ja, Herr Böttger«, sagte Lips und bezwang sich, nicht zu den Büchern zu sehen. »Ich habe verstanden.«
»Du sagst dem Apotheker nur, was wir vorher abgesprochen haben. Sonst kein Wort zu Zorn oder Porstmann oder sonst jemandem. Und schon gar nicht zu Kunkel.« Böttger sah ihn eindringlich an. »Das Ganze ist kein Spaß. Es sind schon einige Alchemisten am Galgen gelandet, weil ihre Laborknechte das Schandmaul nicht halten konnten und für ein paar Münzen den Adepten verraten haben. Ich muss dir vertrauen können, verstehst du! Jetzt räumst du hier erst mal auf, dann mörserst du die Tonschalen da drüben.«
***
Die nächsten Tage vergingen wie im Fluge. Lips verkroch sich mit Böttger im Laboratorium. Er fühlte sich wie im alchemistischen Himmel und vergaß über seinem Eifer, mit dem er die zugewiesenen Arbeiten erledigte, alle Seelennot. Nur manchmal, wenn er das Kellerfenster öffnete und nach frischer Luft schnappte, spähte er hinaus, aber da war niemand, der ihm auffiel. Und schon ging es weiter.
Böttger wusste offensichtlich nichts davon, dass er lesen und schreiben konnte, und seine innere Stimme sagte Lips, dass es bei Böttgers sprunghaftem Naturell auch besser
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