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Der Goldkocher

Der Goldkocher

Titel: Der Goldkocher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Adloff
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Soldaten, die steif auf ihren mit dicken Decken verhüllten Pferden saßen. Hinter einigen Karossen fuhr ein Beiwagen mit einer dampfenden Feuerstelle, um die Bett- und Fußflaschen zu erhitzen. Der Viehknecht meinte, es würde auch ständig ein Punsch bereitgehalten. Von den hohen Herrschaften selbst war nichts zu sehen, und der Prunk in den Kutschen war nur zu erahnen, weil die Fenster ganz verhangen waren.
    Über den Jahreswechsel missglückten nach langen Vorbereitungen wieder einige Versuche, auf die Böttger stark gesetzt hatte. Er wurde immer gereizter und seine Ausbrüche heftiger. Er trank in gewaltigen Mengen und warf mit Tiegeln hinter Lips her, er solle nicht so einen Lärm machen. Manchmal drehte Böttger sich weg, und Lips sah mit langem Hals, wie er ein Pulver in den verdünnten Alcohol vini schüttete. Es musste Opiumpulver sein, denn bald darauf wurde Böttger redselig, knuffte Lips sogar zutraulich in die Seite und plauderte munter über die Anfechtungen der Adepten. Den Blödsichtigen würde eines Tages noch Licht in die Augen fallen, wenn er den chymischen Himmel aufgeschlossen habe! Ja, denen würde das Lachen noch gründlich vergehen! Böttger prostete ihm mit seiner Opiummischung zu, und Lips dachte an den Vater. Sicher hatten ihn die Sachsen inzwischen einkassiert. Irgendwann war jeder Kochemer dran, hatte Arnold gesagt. Auch ein Tullian.
    Wenn Lips später alleine in seiner Schlafstube war, dann holte er das Schreibzeug hervor, das er unter seiner Jacke verborgen aus dem Laboratorium getragen hatte. Seine Schrift war inzwischen ganz schwungvoll geworden, und die Bögen und Schleifen bekamen Eleganz, wie er fand. Er schloss dann die Augen und rief die Zeichen und Worte so lange in Erinnerung, bis er sie zum Greifen vor seinem inneren Auge hatte, dann schrieb er auf, was er sich bildhaft eingeprägt hatte, und verglich es später mit den Anordnungen der Versuche, die sich inzwischen hoch in seiner Kiste stapelten. Immer mehr Zusammenhänge offenbarten sich ihm, und immer tiefer drang er in die Geheimnisse der Alchemie ein. Und je mehr er verstand, desto mehr Fragen stellten sich ihm.

23
    Die ersten wärmenden Frühlingsstrahlen zogen die Menschen aus den Häusern, und die linde Luft machte ihnen wieder frohen Mut auf ein gutes Jahr. Lips musste sich inzwischen jeden Tag den Bart schaben. Manchmal blieb er etwas im Hof stehen, blickte hoch zur Mädchenkammer und ließ die Sonne im glatt rasierten Gesicht kitzeln, bevor er hinunter ins muffige Laboratorium ging. Wieder waren Versuche misslungen, und der Apotheker drängte. Wie Lips aus Andeutungen der Gespräche zwischen Böttger, dem Apotheker und Pfarrer Porstmann heraushörte, wurde in den Versammlungen, die regelmäßig im ganz kleinen Kreis in der Bibliothek abgehalten wurden, auch eine Kollekte für die kostbaren Materialien und Goldklumpen veranstaltet. Dort wurde man wohl zunehmend unwillig.
    »Es muss was passieren!«, sagte Böttger gereizt, wankte zum Tisch und stützte sich. »Ausgelacht wird man jetzt schon! Scharlatan hat mich der Haugwitz genannt! Und gottlosen Arg-Chymisten!« Böttger musste wieder gehorcht haben und wollte sich gar nicht beruhigen. »Ausgerechnet Haugwitz! Der sudelt doch selbst nur herum in seinem Keller. Hat dabei nicht die geringste Wissenschaft, der Kerl, und führt da oben das größte Maul. Alchemistische Festung! Pah! Die können mich mal! Leckt dem Porstmann die Hand! Widerlich, die Arschkriecherei! Und ich! Hier, guck dir die Scheiße an!«
    Böttger streckte Lips die Hände hin, die von den Versuchen mit Quecksilber voll Blattern waren. »Und hast du gesehen, was der Zorn jetzt immer für eine Fresse zieht! Die Zornin trägt nur noch dieses billige Sacktuch und hockt dauernd in der Kirche. Der hat sich das doch anders vorgestellt! Nimmt sich ein junges Weib, die gut im Fleisch steht, und dann lässt die ihn nicht mehr aufsteigen!« Böttger redete sich immer mehr in Rage. »Der Zorn kriegt noch die Samenwut, meint die Anna. Das Beichten und Beten mit dem Porstmann, das nutzt da doch gar nichts!«
    Lips drängte es nachzufragen, was es mit der Andeutung der ›alchemistischen Festung‹ auf sich hatte, von der damals auch Lascaris in seinem Kauderwelsch gesprochen hatte, aber er konnte sich gerade noch wegducken, als Böttger eine Eisenfeile durch das Laboratorium warf.
    ***
    In den nächsten Tagen gelang es Böttger, eine blutrote Tinktur zu kochen. Er war ganz nervös und stammelte fahrig herum, als

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