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Der Goldschmied

Der Goldschmied

Titel: Der Goldschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Mueller
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Gwyn die fertige Konstruktion an Jochens Hals an. Sie passte auf Anhieb. Sorgsam wickelte Gwyn die Konstruktion in ein Leinentuch. Dann machten sie sich beide auf den Weg.
    Auf dem Turnieranger war es noch dämmrig. Das Gras war nass von der regnerischen Nacht. Zwischen den Zelten hatten sich große Wasserpfützen gebildet.
    Der Medicus trat ihnen entgegen. »Ist’s Euch gelungen, Faber?«
    Gwyn nickte. Jochen verbeugte sich vor dem Leibarzt des Grafen. So folgten ihm die beiden Faber in das Zelt. Rings um die Schlafstatt des Unglücklichen waren Öllampen aufgestellt, die mit ihrem blakenden Schein verzerrte Schatten auf die Zeltleinwand warfen. Der Medicus trat neben Gwyn. Er flüsterte mit kaum hörbarer Stimme. »Der Graf ist im Augenblick bei Bewusstsein. Er trank ein wenig. Wohl ist das Fieber in ihm. Aber noch ist es nicht sehr heiß. Aber er leidet große Pein.«
    Gwyn schluckte bei dieser Schilderung. Der Medicus flüsterte weiter. »Er sagt, seine Beine sind ihm ohne Schmerz. Sagt, er spüre sie nicht, so als wären sie nicht Teil von ihm.«
    »Er spürt die Beine nicht?«, fragte Gwyn leise.
    Der Medicus schüttelte den Kopf. Der Mann sah müde aus. Wohl hatte er die ganze Nacht gewacht, und all sein Können aufgewandt, um eine Entzündung des kranken Fleisches zu verhindern.
    Gwyn wiegte langsam den Kopf.
    »Seine Beine! Ich hörte es von jenen, die herabstürzten aus großer Höh. Wenn den Rücken sie gebrochen …«
    »Ich weiß es wohl«, raunte der Arzt.
    »Lasst mich mit ihm sprechen.«
    Er beugte sich über das Gesicht des Verletzten. »Hört, Herr! Hier ist Herr Carlisle, der englisch Faber. Er hat Euch eine Stütz gemacht, aus Eisen hart. Denkt daran und haltet still. Ein fester Ruck, und Euer Leben ist nicht mehr von dieser Welt. Wir werden Gottes Beistand für uns alle erbitten.«
    Er richtete sich wieder auf. Er segnete den Verletzten und danach alle, die im Zelt versammelt waren. Dann ertönten seine Anweisungen. »Ihr Diener, bindet fest Euren Herrn. Füße, Arme und Gelenk, bindet ein mit schwerem Seil. Und seid behutsam. Schnürt nicht zu fest, der Leib muss atmen. Nit stocken darf das Blut. All ihr, die ihr gekommen, um zu helfen, haltet fest den Leib. Drückt nieder, an Schulter, Knie und Arm. Doch bleibt ja fern von seinem Hals.«
    Die Männer nickten stumm. Jeder nahm einen Platz rund um die Bettstatt ein, worauf der Kranke lag. Es war warm, aber nicht mehr so stickig in dem Zelt wie am Abend zuvor. Ein Page goss heißes Wasser in einen Bottich.
    Gwyn wickelte den metallenen Hals aus dem Tuch. Stumm betrachteten der Medicus und die anwesenden Knechte das seltsame Gebilde. Einige Männer bekreuzigten sich still. Sonst sprach niemand ein Wort. Nur das leise Stöhnen des schwerverletzten Mannes war zu hören. Gwyn kontrollierte noch einmal alle Befestigungen. Es war ihm heiß geworden. Seine Hände waren feucht. Er fühlte, wie ihm auf einmal überall der Schweiß in Strömen herunterrann. Welch ein ungeheuerliches Unterfangen sie hier vorbereiteten, war ihm auf einmal ganz deutlich bewusst. Vielleicht war dies das erste Mal, dass Menschen so etwas wagten?
    Der Medicus prüfte noch einmal die vielen Schnüre, die den Leib des Verletzten fesselten. Dann zeigte er jedem Knecht mit einer stummen Bewegung, wie er den Mann dort auf dem Bett zu halten habe. Zuletzt stellte er sich an das Kopfende des Bettes. Er überprüfte noch einmal behutsam, ob der Helm frei lag. Dann sah er sich um.
    »Seid ihr bereit, Männer?«
    Alle nickten stumm.
    »Gott der Herr helfe uns und lasse unser Tun gelingen.«
    Er griff vorsichtig mit beiden Händen an die Seiten des schweren Topfhelmes. Der Arzt atmete noch einmal laut. Dann begann er langsam, Stück für Stück, den Helm zu ziehen, gerade so, wie man einen solchen Kopfputz auszieht. Gwyn, der direkt danebenkauerte, beobachtete, wie der Helm sich kaum merklich bewegte.
    Der Medicus zog langsam und gleichmäßig.
    Gwyn war, als würde er in einem Backofen stehen. Der schwerverletzte Graf versuchte, den Kopf zu bewegen. Aber zwei Knechte hatten ihn unter dem Helm ergriffen. Sie hielten ihn mit den Händen an beiden Wangen fest. Ein dritter Knecht schob einen Keil ganz aus Holz dahin, wo der Hals drohte frei zu liegen. Wieder und wieder versuchte der Verwundete, seinen Körper zu bewegen. Gwyn sah, wie der Mann seine Hände immer wieder zu Fäusten ballte, so dass die Haut an den Knöcheln ganz durchsichtig wurde. Je ein Mann kniete auf einer Seite der

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