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Der Goldschmied

Der Goldschmied

Titel: Der Goldschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Mueller
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Herrn ist schwer. Ich denk, der Hals und auch der Knochen im Gesicht sind ihm gebrochen. Nur der Helm hält den Kopf ruhig. Wohl ist das Visier herunter. Aber bei aller Kunst! Einmal nur, wenn er den Kopf heftig bewegt, wird er sterben. Seine Verletzung wiegt zu schwer. Von der Wunde im Gesicht wird er sicher das Brandfieber bekommen und sterben. Was immer auch passiert, es ist Gottes Wille«, seufzte der Arzt
    Das Brandfieber!
    Wie ein Schreckgespenst erinnerte es Gwyn an die verwundeten Verteidiger von Bath. Wie sich auch gesundes Fleisch entzündete, wie es sich ausbreitete wie ein schwelendes Feuer, das vor sich hinglüht mit kleiner, kaum sichtbarer Flamme. Wie sich Haut und Fleisch röteten, um dann in hässlichen Flecken aufzuquellen. Dann begann es zu schwären, und ein übler Gestank ging einher, bald begleitet von einem tödlichen Fieber. Er sah sie vor sich, die Menschen, die mit entstelltem Leib unter solch furchtbarer Pein einen elenden Tod starben.
    »Herr Medicus, bitte, lasst mich ihn sehen«, bat Gwyn den Arzt.
    Der Innenraum des Zeltes maß etwa fünf große Schritte in der Länge wie in der Breite. Das helle Sonnenlicht malte Schatten auf die Zeltbahnen. Mit großen Tüchern hatten Diener die Helligkeit etwas gemildert. Der Medicus führte Gwyn an eine hölzerne Bettstatt. Dort lag der zerschundene Leib des jungen Grafen.
    Der Turnierhelm verhüllte noch immer seinen Kopf bis zu den Schultern. Dies ließ den eher schlanken Körper des Mannes grotesk und unwirklich aussehen. Ein Knecht kauerte bei ihm und kühlte mit einem feuchten Tuch die Hände und die Brust des Kranken.
    Es war heiß und stickig in dem Zelt.
    Als die beiden Männer näher traten, brummten dicke Fliegen aus der Helmöffnung, dort, wo sich das Visier befunden hatte. Sie waren angelockt worden von der offenen Bruchwunde im Gesicht.
    »Er kann sich nicht bewegen. Immer dann, wenn er aus seiner Ohnmacht erwacht, trifft ihn der Schmerz. Hat auch sein Gutes: Er verliert sich wieder in den Schlaf«, raunte der Medicus dem Goldschmied zu.
    Gwyn trat näher und beugte sich über das Gesicht des Mannes. Dort, wo das Visier gewesen war, lag eine dicke Schicht aus Kräutern, die wohl helfen sollte, die Schwellung zu bekämpfen. Über den Augen schützte ihn ein feuchtes Tuch vor der Helligkeit und den Fliegen. Gwyn hielt für einen Augenblick den Atem an.
    Es stank nach Blut und Eiter.
    Der Goldschmied richtete sich wieder auf und wandte sich zum Gehen. Der Arzt führte ihn vor das Zelt. Dort tat Gwyn einen tiefen Atemzug. Trotz der schwülen Luft fröstelte es ihn ein wenig. Weiße Wolken ballten sich am Himmel, türmten sich zu immer dichter werdenden Gebilden. Ein Gewitter kündigte sich an.
    Der Medicus trat neben Gwyn.
    »Ich wollt, ich wär kein Mann des Heils. Mehr noch, ich wünschte, der Geringste der Geringsten zu sein, nur um solch eine Last nicht tragen zu müssen. Der Bischof von Ulm salbte und ölte ihn. So wird er nicht ohne Segen vor Gottes Antlitz treten.«
    Gwyn erschauerte bei dem Gedanken, wieder einmal einem Menschen so nahe zu sein, dessen Leben bereits abgeschlossen war. Sid, sein Bruder, kam ihm auf einmal in den Sinn, und Peter Fallen, sein geliebter Lehrherr. Randolph Borden, der weise Faber aus Bath …
    »Warum zerstören wir den Helm nicht?«, fragte er.
    Er sagte wir , denn für Gwyn stand es fest, irgendetwas zu tun, um diesem unbekannten jungen Mann zu helfen. Der Medicus schüttelte den Kopf.
    »Wenn wir den Helm zerschlagen, wird sein Hals ganz ohne Stütze sein. Er bricht dann wie ein morscher Ast.«
    »Aber ein Hals wächst auch wieder ganz zusammen, nicht wahr? Sah es einmal an einem Mann in London, den sie henkten. Er atmete und zappelte am Strick, aber er starb nicht. Der Henker schnitt ihn ab, und der Magistrat begnadigte ihn. Sein Hals aber blieb immer seltsam schief.«
    Der Medicus hatte nur still zugehört. Jetzt nickte er und antwortete: »Es sind mehrere kleine Knochen, die wie Scheiben aufeinanderliegen, so wie ein Turm ganz aus Münzen. Solch Scheiben ergeben Stütz und Halt. So können wir Menschen den Kopf aufrecht tragen.«
    Gwyn hörte die Erklärung des Medicus mit Staunen.
    »Aber glaubt mir, es ist unmöglich«, sagte der Mann.
    Gwyn bückte sich nach einem Stück Holzkohle und blickte sich um. Neben dem Zelteingang lag ein Turnierschild, weiß gekalkt zum Schutz der feinen Malerei auf der Vorderseite. Gwyn kniete nieder und begann, mit raschen Strichen zu zeichnen.
    »Was tut Ihr da?«,

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