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Der Goldschmied

Der Goldschmied

Titel: Der Goldschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Mueller
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schrecklichen Folter zu schützen.
    »Ich werde tun, wie Ihr es wünscht«, antwortete Saulus ohne Ton.
    Fresenius war zufrieden.
    »Ich selbst werde ein waches Aug auf unseren Herrn haben. So seh ich bald, ob Ihr recht getan mit der Medizin.«
    Saulus nickte langsam. Was sollte er tun? Er hatte gehorchen gelernt. Er diente dem Papst in dessen mehr und mehr liebgewordenen Residenz hier in Avignon, und er diente Gott. Sein ganzes Leben lang hatte er gedient und gehorcht.
    Noch am selben Abend gab er dem Papst etwas von dem weißen Pulver, aufgelöst in einer Schale Wein.
    Innerhalb von wenigen Tagen ging beim Papst eine Verwandlung vor. Mehr und mehr wurde der alte Mann lebendiger. Seine anfängliche Trägheit verschwand völlig. Er entwickelte erneut einen ungeheuren Appetit. Dafür schlief er jetzt viel kürzer. Er begann, sich wieder mehr für seine Geschäfte zu interessieren, und ließ Berater, Würdenträger wie auch Zunftherren der Stadt Avignon zu sich kommen. Doch sehr leicht wurde er ungeduldig. Dann schrie er laut und steigerte sich in lange Beschimpfungen hinein, die ihn schnell erschöpften. Bald wurde bekannt, dass er seine Rückkehr nach Rom vorbereitete.
    An jenem Morgen war Saulus wie gewohnt früh aufgestanden, um sein Tagwerk zu beginnen. Da er auf der Schwelle zu den Privatgemächern schlief, hörte er als Erster die Rufe des Kirchenfürsten.
    »Saulus …!«
    Er trat in das Schlafgemach des Papstes. Eine winzige, fast schon heruntergebrannte Kerze war die einzige Beleuchtung. Wie erschrak er beim Anblick des Kirchenoberhauptes. Schwer atmend lag der Mann in seinem Bett, Speichel in den Mundwinkeln. Der Mann schwitzte. Sein dünnes Haar klebte wie ein Gespinst an seinem Schädel.
    »Eure Heiligkeit, was ist Euch?«, fragte Saulus erschrocken.
    »Trinken … zu trinken«, keuchte der Mann mit rauher Stimme.
    Saulus füllte einen Becher mit Wasser.
    »Trinkt, Eminenz, Ihr hattet böse Träume.«
    Der Mann schüttelte kaum merklich seinen Kopf. Er wollte etwas sagen, aber Saulus hörte nur ein Röcheln.
    Was sollte er tun?
    Den Leibmedicus holen erschien ihm zu gefährlich. Er musste an das Pulver denken, welches Fresenius ihm gab. Hatte sich der Zustand des Papstes nicht immer gleich gebessert, wenn er davon eine kleine Prise bekommen hatte? Er eilte nach nebenan in seine Kammer. Dort goss er erneut einen Becher voll mit Wasser. Behutsam gab er eine Prise des Heilpulvers hinein.
    Diesen Trank flößte er dem schwer atmenden Mann ein.
    Schon nach wenigen Augenblicken schien es dem Papst besserzugehen. Sein Atem wurde ruhiger. Fast gierig trank er das Wasser. Saulus hatte den Oberkörper gestützt und beobachtete, wie sich die Züge des Mannes mehr und mehr entspannten.
    Es war wirklich ein Wunderpulver.
    Langsam ließ er die schwere Gestalt zurück auf das Bett sinken. Der Atem wurde noch ruhiger. Saulus hatte ein Tuch genommen und begann damit, Mund und Gesicht des Kirchenfürsten zu trocknen. Der stöhnte nur noch leise. Und plötzlich, so wie ein Vogel, der bei einer drohenden Gefahr das Singen einstellt und sich duckt im schützenden Gras, genauso plötzlich hörte der Papst mit einem Mal auf zu atmen. Seine Augen blieben weit aufgerissen, die Arme und Beine steif und verkrampft. Er regte sich nicht mehr.
    »Eure Heiligkeit! Eure Heiligkeit, was ist Euch? Sprecht, was ist Euch?«
    Saulus hörte nur seine eigene Stimme. Sonst war es still in dem Schlafgemach. Langsam beugte er sich über den mächtigen Leib des Liegenden. Nichts war zu hören oder gar zu spüren.
    Der Papst war tot.
    Saulus sank in die Knie. Er spürte, wie ihn eine tiefe Furcht ergriff und festhielt, dass er glaubte, ersticken zu müssen.
    Saulus erinnerte sich nicht mehr daran, wie lange er am Bett des Toten ausgeharrt hatte. Er merkte nicht, dass es längst Tag geworden war. Die Knechte und Kammerdiener hatten sich gewundert, wo an diesem Morgen die Befehle und Anweisungen des Kirchenfürsten blieben. Sie hatten nach Saulus gesucht und ihn am Bett des Toten gefunden, unfähig, ein Wort zu sprechen, stumm. Der Medicus wurde gerufen. Er schloss nur die Augen des Papstes.
    »Der Papst ist tot!«
    Bald herrschte Aufregung und Bestürzung überall.
    »Der Papst ist tot!«
    Fresenius van Straaten übernahm sofort alle weiteren Befugnisse im Haus, und niemand wagte es, dagegen aufzubegehren. Er ließ sich von Saulus alles berichten, wobei er keine weiteren Zuhörer wünschte. Dann verbot er dem Leibdiener des Kirchenfürsten, über

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