Der Goldschmied
Irdische, was es zu verabscheuen galt.
Urban von Scarfeta, zuletzt oberster Bewahrer der Lehre Gottes in der Lombardei, war ein großer Mann. Dies galt für seine Körpermaße wie die Größe seines Geistes gleichermaßen. Eines der ersten Dinge, die der Schreiner in Avignon fertigen musste, war eine größere Bettstatt und ein Pult, an dem er im Stehen lesen und schreiben konnte. Der Lombarde galt als spöttisch, dem Prunk nicht abgeneigt, den er aber zu verbergen wusste, wenn es nicht an der Zeit war. Und er konnte Missgunst und Hass auf einen Menschen pflegen, wie man eine Leidenschaft pflegt, nur um sich daran zu ergötzen. Dabei verstand er es, einen missliebigen Menschen in seiner Gegenwart verkümmern zu lassen, wie eine Blume, der man Wasser und Licht vorenthält, bis sie verdorrt ist.
An diesem Tag waren Schreiber damit beschäftigt, Botschaften zu sichten, die von den ersten Fürsten eintrafen. Die weltlichen Herrscher wollten bald um eine Nachfolge des Papstes wissen. Friedrich der Staufer ließ keinen Zweifel daran, auch innerhalb der Kirche seine Macht zu vergrößern. Es war an der Zeit, den Nachfolger des Papstes zu wählen.
Scarfeta hatte die Absicht, Saulus vor einem Rat aller anwesenden Kardinäle zu befragen. Er musste wissen, welche Befugnisse Fresenius von Seiner Heiligkeit einst erhalten hatte. Dieses Wissen war wichtig für die Frage, was mit dem Gesandten geschehen sollte, damit er Wahl und Ernennung des neuen Papstes nicht beeinflussen konnte. Er befahl deshalb seinem persönlichen Cancellarius, Saulus so bald wie möglich aufzusuchen. Besser noch wäre eine Befragung in seinen Gemächern.
Urban ließ seinen gut funktionierenden Spitzeldienst arbeiten. Das System war von eigener Effizienz, vom kleinsten Knecht bis hin zu den persönlichen Sekretären und Schreibern. Jeder Würdenträger innerhalb der größer werdenden Kirche, der von der möglichen Allmacht seines Amtes ausreichend gekostet hatte, unterhielt solch ein Netz von Informanten, Beobachtern und Spitzeln. Das Wohlwollen und die unnatürliche Fürsorge des Fresenius gegenüber dem alten Leibdiener des verstorbenen Papstes blieb den Informanten nicht verborgen.
Und so berichtete man Urban von Scarfeta.
Der stellte sich immer wieder dieselbe Frage: Was verband den unbedeutenden Mönch mit dem Nuntius Seiner Heiligkeit?
Dies war die Lage der Dinge, der Fresenius in diesen Tagen gegenüberstand. Er wusste, dass seine Macht und sein Einfluss mit jeder Stunde schwanden. Nur sein Amt erlaubte es ihm noch zu entscheiden. Spätestens in jenem Moment, wenn die Schar der Kardinäle einig darauf drängte, ihn erneut auf eine heilige Mission zu schicken, musste er gehen. Ansonsten konnte nur ein Papst diesen Befehl bewirken.
Fresenius aber wollte nicht mehr zurück in sein Amt.
Er hatte genug von dunklen Kellern, einsamen Höfen und Stallungen, in denen sich seine Knechte anschickten, die Folter anzuwenden, um von einem Verdächtigen ein Geständnis zu erzwingen. Längst hasste er die einsamen Reisen kreuz und quer durch das Abendland, jeder Spur eines Zweiflers folgend. Nur um dann einen wachen, aber unvorsichtigen Geist zu bestrafen. Längst war ihm bewusst, wie hilflos er bei all seiner Macht in jenem Amt war: Er ertrug es nicht, dass es immer wieder Menschen gab, die ihm und seinem scharfen Verstand ebenbürtig waren. Er ertrug es noch weniger, dass diese Menschen oft Großes schufen, da, wo er nur zerbrechen, verbrennen, zerstören konnte.
Dieser Neid machte ihm mehr zu schaffen als die Furcht vor einem Anschlag auf sein Leben. Es wurde Zeit, der Kurie zu zeigen, wer wirklich Intrigen erkannte und Gerüchte zum Schweigen bringen konnte.
Es war Zeit für Fresenius van Straaten, sich weitere Macht zu sichern.
Sie waren alle gekommen. Mönche der Kartäuser, die sich jetzt selbst Zisterzienser nannten, die Hospitalier und der Kluniazenser. Die geladenen Bischöfe aus Tours und Aix, aus Avignon und Poitiers, aus Cluny und Vézelay, aus Derham und aus Canterbury. Die Vasallen des Staufers, misstrauisch beäugt von der großen Abordnung der Kardinäle, die in ihren leuchtenden, purpurnen Gewändern steif und unnahbar wirkten, als wären sie eher Zierat dieser Kirche und nicht ihre eigentliche Macht. Ein Dutzend Templer in voller Rüstung demonstrierten mit ihrer Anwesenheit den Respekt vor dem Verstorbenen.
Der Papst war tot.
Er sah so friedlich aus, wie er da aufgebahrt lag, den mächtigen Körper mit einem Stoff aus kostbarem
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