Der Goldschmied
Kastilier um die Stadt fochten, berannten sie auch das Kloster. Dieses beschossen sie besonders schwer mit ihren Katapulten, und danach war es nicht mehr aufgebaut worden. Überall wuchs Gras und Moos, allerlei Kraut wucherte wild. Beinahe in der Mitte der mächtigen Wölbung teilte ein hoher Vorhang von hellem Leinen den Raum. An einer Seite stand ein schwerer Tisch, dazu ein feiner Holzstuhl, viel zu kostbar für jene triste Umgebung. Der Geruch nach glühender Holzkohle lag in der Luft. Fresenius wandte sich zu Bruder Saulus. Er lächelte kaum merklich, als er dessen verständnislosen Blick sah.
»Mein lieber Bruder. Dies ist ein Ort, an dem ich sein muss. Mein Amt verlangt es.«
Vor den Vorhang war der Mann mit dem vernarbten Gesicht getreten. Auf ein Nicken des Wallonen hin zog er die Leinenbahn beiseite. »Damit diene ich.«
Bei dem Anblick, der sich Saulus jetzt bot, wurde es ihm übel.
Da stand ein noch junger Mann, beide Hände auf den Rücken gefesselt. Ein daran gebundenes Seil reichte hinauf bis an die höchste Stelle der Decke und zog dessen Arme weit nach hinten. Jener konnte dabei nicht aufrecht auf beiden Beinen stehen. Stattdessen berührten seine Zehenspitzen gerade den Boden. Diese Stellung musste ihm unerträgliche Schmerzen bereiten. Der Gefolterte hob ein wenig das Gesicht, das er im Schmerz verzerrte. Saulus begann zu stöhnen, als er den Mann erkannte.
»O Heilige Frau! Bruder Geoffrey Hubinet!«
»Ihr kennt ihn, nicht wahr?«, fragte Fresenius voller Freundlichkeit.
Saulus atmete schwer, so als wäre die Luft ringsum auf einmal knapp und kostbar geworden. Wie sollte er diesen jungen Mönch nicht kennen! Er war einer der Lieblingsschüler des Papstes. Viele Male hatte er den schlanken Knaben in den verborgenen Garten geführt.
»Nehmt heute einmal meinen Platz ein, lieber Bruder.« Mit diesen Worten drückte Fresenius den alten Mönch sanft auf den einzigen Stuhl nieder. Noch immer sprach er mit einer fast übernatürlich freundlichen, ruhigen Stimme.
»Geoffrey Hubinet, ein Schüler des Geistes, der die Gunst Seiner Heiligkeit ausnutzte, nur um seiner schwarzen, schändlichen Seele zu folgen.«
Fresenius lächelte Saulus an, so als ginge ihn dieser seltsam grausige Ort nichts an. Der alte Mönch atmete schwer. Er verstand nicht, was hier geschah. Aber er wusste, dass Fresenius ihn von einem Moment des Lichtes in den Schatten geführt hatte. Und er hatte Angst, große Angst davor, ihm weiter zu folgen.
»Ehrwürdiger van Straaten …«, hauchte Saulus.
Fresenius richtete sich auf, und sein Lächeln verschwand.
»Geoffrey leugnet, weil es nicht seine Seele ist, die zu uns spricht. Es ist Luzifer selbst, der auf ewig gefallene Engel, der in ihm steckt. Hier hilft nur die Tortur.«
Fresenius nickte dem Pockennarbigen zu. Der griff in die glühenden Kohlen und zog eine langstielige, eiserne Zange hervor, deren Spitze gelb glühte. Der Geruch von heißem Metall war auf einmal zu riechen. Der Mann trat auf den Gefesselten zu und hielt ihm das glühende Ende dicht vor die Brust. Da begann der Junge, zu bitten und zu betteln.
»Haltet ein, edler Herr van Straaten! Bin frei von Schuld! Lasst gut sein, ich bitt Euch …«
Fresenius trat neben ihn. »Frei von Schuld? Habt Ihr mir nicht erzählt, dass Euch Seine Heiligkeit um fleischliche Genüsse bat? Verbotene Dinge, die sonst nur Tiere tun. Saht Ihr nicht selbst Luzifer, den Teufel, in der Gestalt eines Ziegenbocks? So sagtet Ihr doch?«
»Lüge, Herr! Lüge! Es war Lüge, will auch Buße tun dafür, aber bitte erspart mir die Tortur!«, flehte der junge Mönch.
Fresenius trat erneut zu Saulus, hielt den alten Mann sanft an der Schulter fest. Nun sprach er leise, fast mit Verschwörerstimme. »Er leugnet alles, natürlich. Der Teufel gibt keine Seele preis, die er einmal besitzt. Und die Seel eines jungen Mönchs, der sich vorbereitet auf das hohe Amt, die ist von besonderem Reiz! Solch eine Seel, glaubt mir, die lohnt sich wohl. Es wird nicht leicht sein, auf dass er gesteht.« Er richtete sich schnell auf. »Fang an!«, befahl er dem Pockennarbigen.
Saulus schloss die Augen. Er hörte ein zischendes Geräusch. Dann schrie der junge Geoffrey, so dass es wie ein endloses Echo in dem Turm hallte. Und der Schrei voll Schmerz schien nicht enden zu wollen.
»Weh mir! Haltet ein, um Christi willen. Ich bereue, ich bereueee …!«
Erneut begann er zu schreien, als ihn der Knecht mit der heißen Zange in die Brust zwickte. Die Stimme
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